Pflegeberufe : Behindertenhilfe: Düsseldorfer Pflegekräfte fühlen sich übersehen
Düsseldorf Bärbel Linden kümmert sich um Menschen mit Behinderungen. Ihr beruflicher Alltag war schon vor Corona herausfordernd. Vom Bonus profitiert sie nicht. Aber darum geht es ihr auch gar nicht.
Der Gedanke an die Ovationen im Landtag rufen bei Bärbel Linden alles andere als ein Gefühl der Wertschätzung hervor. Die Düsseldorferin findet deutliche Worte: „Mir wird übel, wenn ich daran denke.“ Sie macht keinen Hehl aus ihrem Frust über die Politik, über die Missstände in der Pflege, die schon lange vor Corona deutlich gewesen seien. Im Zusammenhang mit dem Pflegebonus der Landesregierung verwendet sie Begriffe wie „Symbolpolitik“ oder „glatter Hohn“. „Unter den gegebenen Umständen ist es kein Wunder, dass sich niemand mehr für soziale Berufe findet“, sagt sie. Dabei sei ihr Beruf ein schöner. „Wenn auch ein sehr anstrengender.“
Seit 2012 arbeitet die 49-Jährige als Pflegefachkraft in einer Wohngruppe für geistig und mehrfach behinderte Menschen in Düsseldorf. Als gelernte Industriekauffrau engagierte sich erst ehrenamtlich in der Behindertenhilfe und schulte schließlich um. Diesen Schritt bereut sie trotz allem nicht. „Ich mag meinen Job“, sagt sie und fügt nach einer langen Pause hinzu: „Was ich nicht mag, ist das Gefühl der Überforderung. Und das bringt dieser Job leider mittlerweile mit sich.“
Acht Bewohner betreut Linden in ihrer Wohngruppe. Bis auf drei Stunden am Nachmittag, arbeitet sie dabei allein in einer Schicht. „Wenn ich das in meinem Bekanntenkreis erzähle, dann sind die meisten immer fassungslos: Wie kann das sein? Wie kannst du allein für acht Menschen verantwortlich sein, dich allein um sie kümmern?“ – so gibt sie die Reaktionen ihrer Bekannten wieder. Und genau das sei das Problem. Man hetzte durch den Tag, die Zeit für jeden Einzelnen sei auf das Nötigste beschränkt – Waschen, Zähne putzen, Anziehen, beim Essen helfen. „Raus gehen können wir schließlich auch nur, wenn wir am Nachmittag zu zweit sind“, sagt Linden. Dabei sei gerade der Spaziergang für viele Bewohner eine essenzielle Abwechslung.
Die Corona-Krise sorgte dafür, dass sich die Situation noch verschärfte: Mitte März schlossen die Werkstätten für angepasste Arbeit. Dort verbrachten einige Bewohner bis zu acht Stunden am Tag. „Die Struktur, die Beschäftigung fehlt.“ Bis heute. Denn auch wenn die Werkstätten wieder geöffnet sind, die Bewohner können nicht hingefahren werden. „In den Bussen kann der Abstand nicht eingehalten werden.“ Mit gleichem Personal-Schlüssel müssen Linden und ihre Kollegen nun die fehlende Beschäftigung kompensieren.
Innerhalb des Hauses finden die Bewohner Angebote. „Es wird gebastelt, gestaltet, gespielt“, sagt sie. Ein Ersatz sei das aber nicht. Hinzu komme, dass Therapien zurzeit nicht stattfinden. „Die Therapeuten dürfen noch immer nicht ins Haus kommen. „Förderprogramme liegen komplett flach.“