Kultur Vandalismus im Skulpturenpark

Düsseldorf · Eine große Skulptur von Erwin Heerich ist zerkratzt, beschmiert und aufgebrochen. Damit wird eine traurige Serie fortgesetzt.

 Diese Skulptur von Erwin Heerich ist so beschädigt, dass Experten einen Totalschaden fürchten.

Diese Skulptur von Erwin Heerich ist so beschädigt, dass Experten einen Totalschaden fürchten.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Kunst im öffentlichen Raum ist ein Lieblingsbegriff im gegenwärtigen Kulturbetrieb. Die Kunstkommission erhält dafür einen jährlichen Etat von 700 000 Euro. Auf dass die Kunst unters Volk kommt. Doch im Volk befinden sich neben Kunstfans auch Rowdys. Diese Erfahrung machte im Lantz‘schen Park ein Werk des Bildhauers Erwin Heerich.

Erwin Heerich war ein Freund des Insel-Hombroich-Gründers Karl-Heinrich Müller und des Galeristen Alfred Schmela. Seit den 70er Jahren steht die Aluminiumarbeit mit dem ausgesparten Tau-Kreuz im Lohauser Park, 2007 ging sie als Geschenk an die Stadt. Jetzt, wo der Park dank seiner Wiederbelebung durch Kunst neu entdeckt wird, gerät auch die Zerstörung ins Blickfeld. Sie liegt auf der Rückseite der Skulptur und ist so massiv, dass es sich möglicherweise um einen Totalschaden handelt.

Taufrisch ins Metall geritzt ist das Motto „Black lives matter“, mit dem sich eine internationale Bewegung gegen Gewalt gegen Schwarze wendet. Nun war Heerich kein Gegner dunkelhäutiger Menschen, sondern ein friedliebender Akademieprofessor. Seine Skulptur ist abstrakt und die Oberfläche wirkt unberührbar in der Patina. Möglicherweise haben sich Rowdys einen Scherz erlaubt. Es finden sich aber nicht nur weitere Kritzeleien auf dem empfindlichen Metall, sondern es ist am oberen Ende auch eine Platte des Kubus’ aufgebrochen und zerbeult, so dass Regen in die Konstruktion eindringt und das Aufplatzen der Metallscheiben beschleunigt.

Kunst im öffentlichen Raum scheint vor nichts und niemandem sicher zu sein. Das war schon zu Schmelas Zeiten so. 1981 präsentierte die Galeristin Monika Schmela kurz nach dem Tode ihres Mannes eine der schönsten Großplastiken im Lantz‘schen Park. Der amerikanische Minimalist Ronald Bladen hatte einen schwarz-weißen Keil geschaffen, der wie eine Rampe in den Park ragte. Platten aus Stahlblech waren über einem Gerüst aufgehängt. Das Blech hatte der Künstler schwarz gestrichen, der Lack konnte aber bei turnerischen Übungen von Kindern abplatzen. Um Kinder fern zu halten, begoss die Galeristin die Rampe mit Öl. Das schreckte jedoch niemanden ab. Der Nachwuchs bekam zwar dunkle Flecken an den Hosen, aber nun rutschte es sich noch viel besser. Und auf der Rückseite der Plastik wurde mit einem Stein „Schmela ist ein Arschloch“ eingeritzt.

Die Familie erfuhr mit Entsetzen, was Väter und Söhne mit einer Plastik von Norbert Kricke anstellten. Der meterhoch emporragende Stahlstab diente als Kletterstange. Kricke empfahl Caramba-Spray gegen die Turner, die jedoch immer dreister wurden. Übermütige Kraftmeier hoben schließlich die Verankerung an und kippten die Plastik. Sie wurde daraufhin aus dem Verkehr gezogen und landete als Buga-Kunst im Volksgarten. Dort ging sie tatsächlich zu Bruch und war für immer verloren. Was nun im Gräberfeld auf dem Nordfriedhof steht, ist eine Kopie.

Ein Werk von George Rickey, das sich im Lantz‘schen Park bei jedem Windhauch bewegte, wurde von Herren mit Spazierstöcken so sehr traktiert, dass die Flügel zerbeulten. Eine Skulptur von Fausto Melotti ging zum Künstler nach Mailand zurück, nachdem Kinder Teile vom Werk abmontiert hatten.

Selbst bei dem zum Klettern freigegebenen Heine-Denkmal von Bert Gerresheim am Schwanenmarkt sieht es allzu blank aus. Das geschlossene Auge des Dichters hat seine Patina eingebüßt, dort sitzen die Stepkes und greifen zum Nasenberg empor. Beim Absprung treffen sie auf den inzwischen glatt polierten Reißverschluss.

Hochkarätige Kunst im öffentlichen Raum ist zumindest in Düsseldorf nur an solchen Orten möglich, die gut frequentiert und kontrolliert werden. Dazu gehört der Grabbeplatz. Für diesen Standort konzipierte Claes Oldenburg seine gigantische Zahnpasta-Plastik. 1983 stellte Kurt Räder in der Kunstakademie das Gipsmodell für die auf dem Kopf stehende Zahnpasta-Tube her. Anschließend goss die Kunstgießerei Schmäke das Modell in Bronze, während die Werkstatt Huiskens den „Inhalt“ der gewundenen Paste vorantrieb. Huiskens schweißte leicht gewölbte Stahlbänder über Stahlreifen und verhinderte damit eine Deformation. Danach wurden die Bronze- und Stahlteile mit Autolack eingebrannt. Es wurde das erste und einzige Pop-Kunstwerk, made in Düsseldorf.

Die Skulptur wurde 1985 im Lantz‘schen Park enthüllt. Gleichzeitig überlegten Stadt und Land, das Werk für 950 000 Mark auf den Grabbeplatz zu hieven, wo 1986 die Kunstsammlung eröffnet wurde. Es hätte der Höhepunkt eines Klassikers der Moderne am richtigen Standort sein können. Aber wie immer kam die Stadt nicht über ihr bekanntes Zaudern hinaus.

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