Konzert Knabenchor meistert Herausforderungen

Tölzer Sänger begeistern in der Friedhofskirche — und hätten mehr Publikum verdient gehabt.

 Der Tölzer Knabenchor hat seine Heimat in München. Jetzt gab es ein Gastspiel auf dem Ölberg.

Der Tölzer Knabenchor hat seine Heimat in München. Jetzt gab es ein Gastspiel auf dem Ölberg.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Innerhalb von etwa drei Monaten gaben sich in Wuppertal drei weltweit renommierte Knabenchöre die Klinke in die Hand. Nach den Regensburger Domspatzen in der Laurentiuskirche und den Wiener Sängerknaben in der Stadthalle war es nun der Tölzer Knabenchor, der auf Einladung der Wuppertaler Kurrende ganz oben auf der Hochstraße halt machte, um die Friedhofskirche mit seinen Gesängen zu beschallen. Ein anspruchsvolles Programm hatte er mit ihm Gepäck, womit er die Herzen der leider nur wenigen Zuhörer erfreute.

Selten zuvor hat man solch reife, ausgewogene, bewegliche, entspannte und tragfähige Stimmen in allen Tonhöhen bei Chören dieser Gattung gehört. Vom Sopran bis zum Bass stimmte gesanglich einfach alles ohne irgendeine Spur von Unsicherheiten oder Ungenauigkeiten. Auch solistisch sangen Mitglieder des Chors brillant. Hinzu kam eine außerordentliche Homogenität. Solch eine Qualität erster Güte wie in diesem Fall kann in einem Internatsgefüge nur durch eine jahrelange, behutsame stimmliche Ausbildung über mehrere Chorschulklassen erreicht werden.

Gleich die ersten beiden komplexen Nummern mit vorzüglicher Continuobegleitung — Günther Holzhausen (Violone: ein vom Aussehen her dem Kontrabass ähnliches barockes Instrument) und André Gold (Orgelpositiv) — wurden wie aus einem Guss vorgetragen. Außerordentlich nuanciert erklangen nämlich Johann Sebastian Bachs Choralmotette „Unser Leben ist ein Schatten“ und „Ich lasse Dich nicht“ aus dem altbachischen Archiv.

Auch die hochgradig schwere doppelchörige Bachmotette „Singet dem Herrn ein neues Lied“ (BWV 225) ließ keine Wünsche offen. Gerade die atemberaubende Schlussfuge „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“ gelang den Christen unter anderem mit tadellosen Einsätzen lupenrein.

Knaben sangen ungemein ausdrucksstark

Außerdem kamen auch ohne Instrumentalbegleitung, bei Anton Bruckners „Os justi“ und „Ave Maria“, ungemein ausgewogene, intonationsreine Gesänge vom Altarraum.

Benjamin Brittens „Missa Brevis“ op. 63 ist wegen seiner Dissonanzen und der seinerzeit innovativ-experimentellen Orgelklänge (Gold an der großen Sauer-Orgel) für Sopran- und Altstimmen eine große Herausforderung. Ungemein ausdrucksstark meisterten die Knaben unter der versierten Leitung eines Mitglieds des Männerchors auf der Orgelempore selbst die vertracktesten Passagen.

Das zwölftönige „Te Deum“ von Anton Heiller (1953) stellt noch höhere Ansprüche. Ebenfalls von der Orgelempore mit Gold an der Orgel intonierte der Männerchor diesen modernen Lobgesang tief nachempfunden sehr ergreifend ohne hörbare Unstimmigkeiten.

Zwei Stücke sangen die Gäste gemeinsam mit der Kurrende

Clemens Haudum präsentierte sich dabei als ein exzellenter Chorleiter. Mitatmend, vorausschauend und absolut präzise war sein Dirigat, worauf jederzeit Verlass war. Nur die Akustik des „Ölbergdoms“ hatte er nicht im Griff. Zwar wurden die leisen Stellen und fließenden dynamischen Übergänge traumhaft schön gestaltet. Doch die lauten Passagen gerieten generell viel zu gewaltig, unausgewogen, absolut unangemessen ob der Überakustik des Raums.

Zwei Stücke, eins zu Beginn und die Zugabe, sangen der Tölzer Knabenchor und die Wuppertaler Kurrende zusammen: der Choral „Jesus bleibet meine Freude“ aus der Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ (BWV 147) von Johann Sebastian Bach und Anton Bruckners vierstimmige Motette „locus iste“ (dieser Ort) in C-Dur (WAB 23). Zwar klappte bei dieser Premiere stimmlich nicht alles. Doch für die Kurrendaner war es wohl eine große Ehre, mit dabei sein zu dürfen. Dafür sprachen ihre hochengagierten Gesänge.

Zwischenapplaus und lang anhaltender, begeisterter Beifall zum Schluss waren der berechtigte Dank für ein insgesamt hochkarätiges Chorkonzert.

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