Ostern im Von der Heydt-Museum: Göttliche Güte und irdische Kunst

Wer am Sonntag nicht nur Eier suchen möchte, kann im Kunsttempel Entdeckungen machen. Im städtischen Museum sind gleich drei österliche Kunstwerke auf einmal zu bestaunen. Eines davon gibt Rätsel auf: Was fehlt am Gnadenstuhl?

Wuppertal. Wer sich unentwegt Gedanken macht, kann sich ganz schnell im Kreis drehen und nicht wirklich vorwärts kommen. Wer die Ostertage nutzt, um in sich zu gehen, kann allerdings auch dazugewinnen, Ruhe finden oder Neues kennenlernen.

Eine kreisrunde Einkerbung könnte dafür die ideale Basis sein — gibt sie in diesem Fall doch allerhand Rätsel auf. Weshalb die Jesusfigur, die bis August im Von der Heydt-Museum am Turmhof zu finden ist, eine deutlich sichtbare Vertiefung hat? Rund um das Loch könnte man sich die verschiedensten Theorien ausmalen. Vermutlich steckte etwas mitten im Herz des Gottessohns — etwas, das nicht mehr vorhanden ist. Eine Taube womöglich? Um den symbolischen Vogel drehen sich zumindest die Gedanken von Direktor Gerhard Finckh: „Es ist gut möglich, dass dort eine Taube angeklebt oder montiert war — als Symbol für den Heiligen Geist.“

Eines ist jedenfalls sicher: Am gotischen Kunstwerk hat der Zahn der Zeit genagt. Und genau das gefällt Museumsmitarbeiterin Beate Eickhoff. Denn der Altar, der Teil der aktuellen „Schatzhaus“-Ausstellung ist, kann heute nur noch als Fragment bewundert werden. „Das beflügelt auf jeden Fall die Phantasie“, sagt Eickhoff. „Man hat in diesem Raum Zeit, sich alles dazu zu denken.“ Nur eines sollte man nicht machen: gedankenlos daran vorbeigehen.

Zumal es gleich drei gute Gründe gibt, um nicht nur im heimischen Garten Eier zu suchen, sondern auch im Kunsttempel Entdeckungen zu machen: Im Von der Heydt-Museum, das am Ostersonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet ist, sind gleich drei österliche Kunstwerke auf einmal zu bestaunen.

Besonders auffällig ist der Gnadenstuhl. Das gotische Schnitzgut mit den Maßen 89 mal 37 Zentimeter ist ein seltener Schatz im Von der Heydt-Museum, das eher als Ort malerischer Bekenntnisse bekannt ist und sich vor allem mit niederländischer Kunst aus dem 16. und 17. Jahrhunderts, mit Malerei und Graphik des 19. und 20. Jahrhunderts, speziell mit Meisterwerken aus Impressionismus und Expressionismus einen Namen gemacht hat.

Die hölzerne Skulptur hat also Seltenheitswert. Bisher lagerte sie im Depot, doch pünktlich zur Passionszeit wurde sie umgebettet. Nun findet sich die Darstellung der Dreieinigkeit in Form des Gnadenstuhls auf der zweiten Etage. Was einst Kircheninventar gewesen sein dürfte, hat seinen Platz am Turmhof gefunden — zumindest bis zum 7. August. Bis dahin fasziniert der Gnadenstuhl als Zeichen größter Güte.

Gerhard Finckh, Museumsdirektor, auf die Frage, weshalb die drei österlichen Kunstwerke nicht signiert sind.

Denn würdevoll wirken beide — Vater wie Sohn. Und obwohl der Betrachter die Schmerzen erahnen kann, strahlt die Szenerie Versöhnliches aus. Vater und Sohn schauen sich nicht an, trotzdem ist stilles Einvernehmen spürbar: Christus ist ganz seinem Schicksal ergeben, mit geschlossenen Augen ruht er im Schoß Gottes.

So soll das, was auf dem himmlischen Thron passiert, auch für geerdete Menschen nachvollziehbar sein. Die Botschaft ist klar: Die Darstellungsform soll ein spezifisches Licht auf die Trinität werfen. Gott präsentiert Christus den Menschen als denjenigen, der für ihre Sünden am Kreuz gestorben ist. Der Heilige Geist, der nach den Regeln der christlichen Kunst zwischen Gott und Jesus angesiedelt ist, vermittelt zwischen beiden.

Wer das Ganze geschnitzt hat, ist unklar. So viel ist aber sicher: Wer glaubt, dass der Gottvater und sein geopferter Sohn die Einzigen sind, die im Museum von den Leiden Christi künden, befindet sich auf dem Holzweg. In Sichtweite zum Gnadenstuhl befindet sich das Werk eines anderen unbekannten Meisters.

So vielfältig wie die Gefühle, die die österlichen Werke beim Betrachter hervorrufen, ist auch das verwendete Material. Weg von der gotischen Holzskulptur, hin zur Email-Platte und der entsprechenden Ikonographie: Die Kreuzigungs-Szene, im 16. Jahrhundert in Limoges entstanden, ist ein echter Blickfang — eine symbolische Mischung aus warmen Blau- und Gold-Tönen. Die vielen kleinen Details zu mustern, macht großes Vergnügen: Maria Magdalena kniet unter dem Kreuz, neben dem ein Salbgefäß steht. Am oberen Rand sind zwei typische Widersacher zu entdecken: links ein Engel, rechts der Teufel. „Limoges hat eine große Email-Tradition und war berühmt für seine schönen kleinen Arbeiten“, erklärt Finckh. Eine solche „Berühmtheit“ ist nun also auch in Elberfeld zu finden.

Vielleicht noch eindrucksvoller ist jedoch ein Blick auf den „Schmerzensmann“, den ein flämischer Künstler um 1600 mit Dornenkranz und gelbem Hintergrund gemalt hat. Gelb als Zeichen der Hoffnung? Die Phantasie wird auf jeden Fall beflügelt. Zumal der Blick fesselnd, das Leid in den Augen nicht zu übersehen ist — mit schmerzverzerrtem Gesicht wartet Jesus Christus auf das, was kommen mag. „Der Betrachter kann und soll Anteil nehmen“, bestätigt Eickhoff.

So gesehen schließt sich am Turmhof ein Kreis. Drei Werke, ein Thema: Ostern ist die Zeit des Schmerzes und der Trauer, aber auch der Güte und der Auferstehung. Weshalb sich die Künstler nicht namentlich dazu bekannt haben? Wer darüber grübelt, kann sich gedanklich im Kreise drehen — oder aber der Fachkenntnis von Gerhard Finckh vertrauen. Den Hausherrn wundert es nicht, dass keine Signaturen zu finden sind: „Die Künstler haben sich zunächst ,nur’ als Handwerker verstanden. Erst im Laufe der Zeit bekamen sie ein eigenes Selbstbewusstsein.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort