Mozart-Oper: Ein Plädoyer für die Menschlichkeit

Constanze Kreusch setzt am Samstag „Idomeneo“ in Szene. Sie möchte beweisen, dass der antike Stoff höchst aktuell ist.

Wuppertal. Vor einem Jahr haben sie die „Griechische Passion“ auf die Bühne gebracht, nun ist „Idomeneo“ an der Reihe: Wenn Constanze Kreusch (Regie), Hilary Griffiths (musikalische Leitung) und Jürgen Lier (Bühne) am Samstag um 19.30 Uhr Premiere feiern, halten sie zwar im Hintergrund die Fäden in der Hand, stehen aber bei weitem nicht alleine da.

Denn das bewährte Trio setzt auf einen Superlativ: „ ,Idomeneo’ ist Mozarts größte Chor-Oper“, wie Dramaturg Johannes Blum, der Vierte im Bunde, betont. Insgesamt 50 Beteiligte sind im Opernhaus im Einsatz.

Auch wenn es deutlich weniger sind als vor einem Jahr, als ein 140-köpfiges Team die „Griechische Passion“ zelebrierte, ist die Anzahl der Akteure durchaus stattlich: Chor- und Extrachor der Wuppertaler Bühnen, das städtische Sinfonieorchester, Studenten der Musikhochschule und sieben Solisten lenken den Blick erneut nach Griechenland.

Diesmal verspricht Kreusch nicht weniger als „ein Plädoyer für die Liebe, für Menschlichkeit, für den Glauben an das Gute“. So gesehen ist Mozarts Oper „heute genauso aktuell, wie sie es vor 230 Jahren war“. Hinter dem Ganzen steckt schließlich „der Appell, Verantwortung zu übernehmen“.

Im übertragenen Sinne gelte dies nicht nur für griechische Kriegsherren, die in antiker Zeit Sagenhaftes erlebt haben sollen, sondern — ganz real — auch für jeden Wuppertaler im Hier und Heute. „Es geht um ein Mehr an Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft, in der wir leben“, sagt die Regisseurin mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in Japan, die Atomkraft-Diskussion und Stuttgart 21.

Auch wenn „Idomeneo“ Mozarts Lieblingsoper gewesen sei und schon vor 230 Jahren erstmals inszeniert worden ist, wurde sie, so Blum, „erst in den vergangenen 30 Jahren regelmäßig aufgeführt“. Woran das liegen mag? Der Dramaturg hat eine konkrete Vermutung: „Als Mozart die Oper schrieb, war die Form, also die Opera seria, die sich mit mythologischen Stoffen beschäftigte, eigentlich schon außer Mode.“

Das soll die Zuschauer von heute jedoch nicht abschrecken. Ganz im Gegenteil. Blum bringt es auf den Punkt: „Die Form ist alt, aber die Figuren sind modern.“ Sprich: nicht mehr allein Affekten unterworfen, wie sie für die Opera seria typisch sind.

Auch für Kreusch liegt der Reiz des Stoffes in den psychischen Konflikten. Zwar spielen Götter durchaus eine wichtige Rolle. Eigentlich gehe es jedoch um menschliche Gefühle, um die Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen und vor allem um die Verfehlung von Idomeneo (Robert Chafin), der mit Poseidon einen teuflischen Pakt schließt und bereit ist, dafür seinen eigenen Sohn (Joslyn Rechter) zu opfern.

Deshalb erkennt die Regisseurin in Mozarts Heldendrama auch weit mehr als nur einen Mythos. „Die Märchen-Ebene ist nur eine Plattform“, sagt sie.

Hilary Griffiths sieht es genauso: „Die Charaktere sind zweidimensional angelegt. Musik und Figuren sprengen den Rahmen des Genres.“ Der musikalische Leiter weiß auch schon, wann die Zuschauer ganz genau hinhören sollten: „Die Chorwerke sind fulminant — und die begleiteten Rezitative die Juwelen des Stücks.“

Wer sich auf die göttlichen Begegnungen mit menschlicher Neugier einstimmen möchte, sollte schon 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Barmer Opernhaus sein: „Vor jeder Aufführung gibt es eine Einführung“, verspricht Blum.

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