25-jährige Erzieherin wird beschuldigt Ermittlungen nach Viersener Kita-Mord: Zweiter Verdachtsfall in Kempen

Kempen/Viersen · Die beschuldigte Erzieherin (25) macht weiterhin keine Angaben zu den Vorwürfen in Viersen, St. Tönis, Kempen und Krefeld.

 Guido Roßkamp, Leiter der Mordkommission, informierte letzte Woche bei einer Pressekonferenz über die Fälle.

Guido Roßkamp, Leiter der Mordkommission, informierte letzte Woche bei einer Pressekonferenz über die Fälle.

Foto: dpa/Marius Becker

Der mutmaßliche Mord an einem dreijährigen Mädchen in einer Viersener Kita und die zahlreichen weiteren Gewalttaten einer Erzieherin beschäftigen die Menschen in der Region weiterhin. Seit dem vergangenen Donnerstag, als die Mönchengladbacher Polizei in einer Pressekonferenz die grausamen Details einer Gewalt-Serie veröffentlicht hat, stehen auch die beteiligten Behörden im Fokus. Vor der mutmaßlichen Tötung des Kindes in Viersen hat die 25-Jährige in Kitas in Krefeld, Kempen und St. Tönis gearbeitet. Vor allem in Kempen, wo Sandra M. ein Jahr lang in der Kita „Mullewapp“ tätig war, dauern umfangreiche Ermittlungen an, wie eine Polizeisprecherin am Mittwoch auf WZ-Anfrage bestätigte.

In Kempen steht weiter der Fall eines zweijährigen Jungen im Fokus. Das Kind war binnen vier Monaten viermal mit akuten Atemproblemen im Krankenhaus behandelt worden. Stets traten die Probleme während des Mittagsschlafs in der Kita auf. In einem Fall war es auch zum Atemstillstand gekommen. Während die Ärzte der Viersener Kinderklinik zwischen 2018 und 2019 davon ausgegangen waren, dass eine medizinische Ursache vorlag, könnten die Probleme des Jungen nun im Zusammenhang mit dem Wirken von Sandra M. stehen. Es besteht der Verdacht, dass die Erzieherin aus Geldern diese herbeigeführt hat. Einen konkreten Tatvorwurf gegen die Beschuldigte gebe es in diesem Fall aber noch nicht, so die Polizeisprecherin. Die Ermittlungen stünden vor dem Abschluss.

Zusätzliche Ermittlungen laufen im Zusammenhang mit einem weiteren Fall in der Kita „Mullewapp“ Das bestätigte die Sprecherin ebenso. Am Tag der Pressekonferenz in der vergangenen Woche hätten sich Eltern aus Kempen gemeldet. Deren Kind sei in der Vergangenheit mit Verletzungen nach Hause gekommen. „Diese sind aber nicht auf das Herbeiführen eines Atemstillstands oder ähnliches zurückzuführen“, so die Sprecherin. Es seien Verletzungen anderer Art, die nicht mit der vermuteten Vorgehensweise von Sandra M. in den Kitas in Krefeld, Viersen und St. Tönis zu vergleichen seien.

Wann weitere konkrete Ermittlungsergebnisse und Vorwürfe veröffentlicht werden können, sei offen. Das hänge von den weiteren Ermittlungen ab. Neben den Kempener Eltern hätten sich aber in den vergangenen Tagen keine weiteren Eltern gemeldet, so die Polizei. Die Beschuldigte selbst, die sich auf Anraten ihres Rechtsbeistands auf ihr Aussageverweigerungsrecht beruft, hat sich bis Mittwochnachmittag immer noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Vorgeworfen wird ihr im Viersener Fall „heimtückischer Mord“. In der Kita soll sie die zweijährige Greta am 21. April so schwer verletzt haben, dass sie später im Krankenhaus gestorben ist. Am 4. Mai, einen Tag nach ihrem dritten Geburtstag, setzte bei Greta Hirntod ein. In St. Tönis sieht die Polizei den Verdacht bestätigt, dass Sandra M. in der Kita „Biberburg“ am 29. Oktober 2019 ein dreijähriges Mädchen verletzt hat. Dort lautet der Tatvorwurf „Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Körperverletzung“.

Im Zuge der öffentlichen Debatte zu den grausigen Vorfällen taucht immer wieder die Frage auf, wieso die Erzieherin überhaupt so viele Arbeitsstellen antreten konnte, ohne dass jemand Verdacht schöpft. Nach Angaben der Ermittler sei zudem schon zu Beginn ihres Anerkennungsjahrs in einer Krefelder Kita klar gewesen, dass die 25-Jährige nicht für den Beruf geeignet ist. Das habe die Krefelder Kita-Leitung auch schriftlich festgehalten. Dennoch wurde die Schülerin des Kempener Berufskollegs zur Prüfung zugelassen und erhielt die staatliche Anerkennung als Erzieherin.

Für Aufsehen sorgt derzeit auch, dass zum Beispiel die Vorfälle in Kempen unter dem Radar geblieben sind. Die Stadt Kempen beruft sich in den vier Fällen mit dem zweijährigen Jungen darauf, dass medizinisch keine Anzeichen auf Fremdeinwirkung vorgelegen hätten. Aus der Viersener Kinderklinik habe es keine entsprechenden Hinweis gegeben, so Bürgermeister Volker Rübo in der vergangenen Woche. Daher habe es auch keine internen Ermittlungen jedweder Art gegen das Personal in Kempen gegeben. Einen konkreten Verdacht, dass andere Beteiligte in den Kempener Fällen etwas versäumt haben, gibt es laut Polizei bislang nicht. „Weiterhin gibt es im gesamten Verfahren derzeit nur eine Beschuldigte“, sagte die Behördensprecherin am Mittwoch.

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