Kunst Off-Raum widmet sich dem Porträt des Menschen

Düsseldorf · Mit Werken von Schütte, Luduvico und Schmenger eröffnete die Zimmergalerie „Bloom“ von Jisue Byun.

 Rosilene Luduvico, Disco One, 2020.

Rosilene Luduvico, Disco One, 2020.

Foto: Achim Kukulies

Seit 15 Jahren lebt die Südkoreanerin Jisue Byun in Düsseldorf, machte ihren Master in Kunstgeschichte und fügt nun unter der Bezeichnung „Bloom“ der Kunstszene eine neue „Blüte“ hinzu. Soeben schloss sie einen unbefristeten Mietvertrag für einen lichtdurchfluteten Raum im Erdgeschoss einer Wohngemeinschaft in Bilk ab. „Bloom“ wird in diesem Jahr als Off-Raum vom Kulturamt gefördert. Im nächsten Jahr soll daraus eine Galerie werden. Der Einstand mit Rosilene Luduvico, Thomas Schütte und Lukas Schmenger ist verheißungsvoll.

Die Brasilianerin Rosilene Luduvico (51) ist Meisterschülerin von Anzinger und plant gerade eine Einzelausstellung für die Kunsthalle Darmstadt. Sie lebt seit 1997 in Düsseldorf, ist in renommierten Sammlungen wie Philara, Olbricht und Goetz vertreten, aber wurde noch von keinem Museum in ihrer Wahlheimat entdeckt. Dabei ist sie eine begnadete Malerin sehr leichtfüßiger Gemälde, wie sie in ihren Porträts befreundeter Künstler beweist.

 Lukas Schmenger, ohne Titel (frenetic youth), 2018.

Lukas Schmenger, ohne Titel (frenetic youth), 2018.

Foto: Union Pacific

In einer ersten Phase sitzen ihr die Personen Modell, die sie leichtfüßig aufs Papier skizziert. Anschließend überarbeitet sie sie so häufig in ihrem Atelier, bis sie das Gesicht frei aus der Erinnerung malen kann. Erst dann trägt sie nach uralter Methode mit Bologna-Kreide, Hasenleim und weißen Pigmenten eine kalkige, weiße Grundierung auf Leinwand auf, um den Champagnerkalk mit Schmirgel in einem fast meditativen Vorgang immer wieder glatt zu schleifen. So schließen sich die Poren und geben der Leinwand eine dichte Haut, auf der die Farblasuren obenauf liegen. Das Ergebnis sind fast körperlose Figuren, die auf dem durchscheinenden Malgrund dank der Pigmente zu fluoreszieren scheinen. Den Porträts gibt sie fiktive Namen. Hinter „Lua“ steckt Sabrina Fritsch, die gerade ein Solo im Kunstpalast hatte. Ihr strenges Pony macht sie auf der Leinwand zur Kunstfigur. Sie wird schlafend gezeigt, als trete sie eine Reise durch Raum und Zeit an. Ihr klares Gesicht erhält an den Rändern wenige geometrische Zutaten, als Anklang auf die Kunst der Malerin. „Disco One“ nennt Rosilene Luduvico das Bild von Graham Watling, der in seine  Musik versunken zu sein scheint. Auch er wird träumend gezeigt, mit klar geschnittenem Mund und Stoppelbart, dessen Flausen sich bis in den Hals hinein fortsetzen. „Mar“ bezieht sich auf die Bildhauerin Esther Kläs, Meisterschülerin von Herold. Sie wird durch eine Wollmütze in Rosé und von zwei schlanken Kakteen eingerahmt, die ihr eine gewisse Entschiedenheit selbst bei geschlossenen Augen verleihen. Graham und Esther sind ein Paar und wohnen in Barcelona. Ähnlich intim sind die Zeichnungen von Thomas Schütte (65) von „Anna“ und „Luise“, wobei er allein von Luise ursprünglich 120 Tuschezeichnungen geschaffen hat. Ausnahmsweise nahm er einen dickeren Pinsel und malte gleichsam in einem Atemzug die Silhouetten dieser zauberhaften Wesen und übertrug eine Auswahl dieser Motive 2014 auf Keramikplatten. Im Gegensatz zu Schüttes „eisernen“ Frauen, die er durchbohrt, durchlöchert und auf die verschiedensten Weisen maltraitiert hat, wirken „Anna“ und „Luise“ voller Sympathie, wie Hymnen auf Liebe und Schönheit. „Luise“ blickt in sich hinein, und scheint doch zugleich ein kleiner Querkopf zu sein.

Dritter im Bunde ist Lukas Schmenger (39). Der Meisterschüler von Grünfeld schert aus. Er nimmt keine real existierenden Personen als Vorbild, sondern erzeugt hybride Physiognomien, mit Anklängen an den Klassizismus. Irritierend und verstörend ist ein Kopf, der die Zunge herausstreckt und den Boden lasziv abzulecken scheint. Die Arbeit ging aus einer Radierung hervor, von der er in einer Aluminiumgießerei einen Industrieguss anfertigen ließ. Der Künstler, der heute in Köln lebt, geht allein schon in der Technik in Distanz zum Motiv. Die Oberflächen seiner Bilder kommen mit seinen Händen nicht in Berührung. Vielmehr wird die Farbe durchgedrückt. Er nimmt dazu eine Leinwand, die er nachtblau oder schwarz grundiert, und lehnt dagegen ein mit Drucktinte eingefärbtes Linoleum, so dass sich die beiden Farbträger, die Druckplatte und die Leinwand, berühren. Nun zeichnet er die Silhouette auf die Rückseite der Leinwand, so dass die Zeichnung durchschlägt. Dreht er die Leinwand um, kommt auf der Vorderseite die hellere Linolfarbe aus dem dunklen Untergrund heraus. Ein Wechselspiel von Innen und Außen. Das Ergebnis ist eine plane Fläche, die keine Handschrift und keinen Pinselstrich verrät. Rätselhafte Gesichter entstehen, wie seelische Erscheinungen, die sich nicht erklären lassen.

 Thomas Schütte, Luise, 2014.

Thomas Schütte, Luise, 2014.

Foto: Mareike Tocha

Planetenstraße 1, bis 9. August, Öffnung: Donnerstag bis Samstag 15-18 Uhr. Zur Ausstellung erscheint eine Edition von Lukas Schmenger.

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