Diskussion um Reeser Platz Stahlbrücke über Soldaten-Denkmal empört Künstler

DÜSSELDORF · Nach Protest gegen Siegerentwurf: Düsseldorfer sollen erneut über Gegendenkmal zum Nazi-Monument am Reeser Platz diskutieren

 Gegen den von der Kunstkommission der Stadt Düsseldorf prämierten Entwurf der Umgestaltung des Reeser Platzes mit dem Soldatendenkmal von 1939 regt sich prominenter Widerstand.

Gegen den von der Kunstkommission der Stadt Düsseldorf prämierten Entwurf der Umgestaltung des Reeser Platzes mit dem Soldatendenkmal von 1939 regt sich prominenter Widerstand.

Foto: dpa/---

Künstler treten in der Landeshauptstadt gegen Künstler an. Stars wie Thomas Ruff, Thomas Schütte, Günther Uecker und Katharina Sieverding kämpfen gegen die jüngere Gruppierung „Konsortium“. Streitpunkt ist eine stählerne Brücke, die diagonal über das Soldatendenkmal aus dem Jahr 1939 am Reeser Platz geführt werden soll. Die Gewinner des Siegerentwurfs sehen darin eine Möglichkeit, das nationalsozialistisch geprägte Gedankengut des Denkmals zu durchkreuzen. Die Gegner fürchten ein neues Stahlgewitter. Das Projekt hängt am seidenen Faden.

Vorgeschichte: Dem Gauleiter Friedrich Karl Florian schwebte das Gau Düsseldorf als Zentrum des Nationalsozialismus im Westen Deutschlands vor. So entstand eine neue Mustersiedlung für die gehobenen Ansprüche von NS-Führungskräften und im Juli 1939, knapp zwei Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, ein Kriegerdenkmal in Erinnerung an das Niederrheinische Füsilier-Regiment Nr. 39 im Ersten Weltkrieg: Aus dem vergitterten „Tor einer Gruft“ marschieren kunstvoll reliefierte Soldaten mit geschulterten Gewehren. Die braven Helmträger wirken diszipliniert und harmlos. Deshalb hatten weder die britische Rheinarmee noch die Bundeswehr etwas gegen das Denkmal. Es steht seit 2002 unter Denkmalschutz, umgeben von dem großen freien Reeser-Platz.

Wettbewerb: Das Denkmal war immer wieder Ort für Aufmärsche von Nazis, rechtsradikalen und rassistischen Gruppen. Deshalb wollte das Düsseldorfer Stadtteilparlament die Situation ändern und hoffte auf Alternativvorschläge. Unter großer Beteiligung der Bevölkerung wurde fünf Jahre lang diskutiert. Zuletzt nahmen sich ehrenamtliche Künstler aus der Kunstkommission des Projekts an, die der Stadt bei der Gestaltung des öffentlichen Raums auf die Sprünge helfen wollten. Sie wurden vom Rat eingesetzt und organisierten einen Wettbewerb. Alle Kollegen hätten sich beteiligen können. Sprecher Jörg-Thomas Alvermann schrieb einige der jetzt protestierenden Künstler persönlich an.

Siegerentwurf: Die Idee stammt von „Ultrastudio“, einem Zusammenschluss der Künstler Lars Breuer, Sebastian Freytag und Guido Münch („Konsortium“), mit dem Architekten und Baukünstler der Kunstakademie, Christian Heuchel sowie dem Kunsthistoriker Jürgen Wiener, dem besten Kenner einer Architektur als inszenierter Geschichte. Die Verfasser schlagen eine 50 Meter lange begehbare Stahlbrücke vor, die über dem Soldaten-Denkmal zu schweben scheint. Sie durchkreuzt das Denkmal mit seinem auferstehenden Militarismus und sorgt für neue Blickwinkel auf den einstigen Aufmarschplatz. Sie bricht also die alten Ideale des auferstehenden Militarismus.

Den Entwerfern kommt es darauf an, dass man nicht nur nach oben in die Baumkronen, sondern auch nach unten auf das Denkmal schaut und seine kulissenhafte Fassade durchschaut. Zugleich sorgen die Künstler für eine Umgestaltung des hinteren Umfelds,  mit großem Kinderspielplatz und einem Hügel für die Brückenrampe.

Das Ärgernis: Der Aufruf zum Protest kommt von der Dichterin Ingrid Bacher (89), Urenkelin von Theodor Storm, zeitweilig Mitglied und Präsidentin des PEN-Zentrums und seit 2013 Ehrenmitglied der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft. Sie stört sich an der Stahlbrücke. Sie interpretiert sie nicht architektonisch, als Mittel zur Veränderung der Perspektive, sondern sprachlich. So vergleicht sie sie mit dem „Stahlgewitter“ und den Rednertribünen auf dem Reichsparteitagsgelände („Aufmarschplatz mit einer Tribüne für Redner“). Bacher empört sich über die Brücke als Architektur der Macht.

Die Reaktion auf ihren Aufruf an die Künstlerkollegen und an die Politik, den Entwurf zu stoppen, ist verständlich. Denn wer will ernstlich etwas von einem neuen „Stahlgewitter“ wissen. Bachers Worte enden mit der Aufforderung, „Frieden zu bewahren und die Toten ruhen zu lassen. Keine neue Aufmerksamkeit den Aufmärschen der Vergangenheit!“

Die Künstler des Siegerentwurfs reagieren nun ihrerseits empört auf die emphatischen Worte Bachers. „Keiner der Beteiligten an der Unterschriftenaktion hat zu irgendeinem Zeitpunkt das Gespräch mit uns gesucht! Stattdessen wird alles an Rhetorik und Honoratioren aufgewartet“, so erklärt Sebastian Freytag. Dennoch hat der Krach auch seine guten Seiten. Es gibt ein engagiertes Pro und Contra, aber auch ein zaghaftes Umdenken.

Die Bildhauerin Katharina Fritsch, die zunächst gegen den Entwurf war, lobt nach dem Betrachten des Modells den „tiefer gehenden Umgang mit Geschichte“. Andererseits fürchtet sie, dass die Entscheidung gegen den Entwurf auch die Kunstkommission zu Fall bringen könnte. Das wäre „ein fatales Zeichen gegen eine jüngere Szene, die in Düsseldorf international locker mithalten kann“.

Bürgerbeteiligung: Nach diversen Redeschlachten im Düsseldorfer Rathaus entschieden sich die Politiker von CDU, SPD und Grünen jetzt erneut für eine breite, öffentliche Diskussion, unter Regie von Kunstkommission und Verwaltung. Dabei sollen auch die Vorschläge weiterer Preisträger einbezogen werden.

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