Urteil zu Wucher Aus Geldnot das Auto zum Spottpreis verkauft

DORTMUND/KARLSRUHE · Bargeld bekommen, den verkauften Wagen weiter fahren: Bundesgerichtshof spricht in seinem Urteil von Wucher.

An einem Fenster einer Pfando-Filiale sind Aufkleber mit Piktogrammen für Auto und Geld angebracht.

An einem Fenster einer Pfando-Filiale sind Aufkleber mit Piktogrammen für Auto und Geld angebracht.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Lothar Matthäus lächelt auf der Internetseite des Unternehmens. Als Vertrauen schaffender sogenannter Markenbotschafter. Doch so richtig wohl dürfte dem Rekordnationalspieler jetzt nicht mehr dabei sein. Denn Pfando, so heißt die Firma mit ihren bundesweit 27 Standorten, bekam soeben vom Bundesgerichtshof höchstrichterlich bescheinigt: Das Unternehmen hat ein „wucherähnliches Rechtsgeschäft“ abgeschlossen, eine „verwerfliche Gesinnung“ sei zu vermuten.

So funktioniert das Geschäftsmodell „cash and drive“

Es geht um ein Geschäftsmodell, das Pfando selbst mit „cash and drive“ bewirbt. Das Angebot: Du verkaufst uns dein Auto, bekommst innerhalb von 60 Minuten ein paar Tausend Euro Bargeld in die Hand und darfst danach weiter mit dem Wagen fahren. Denn darum geht es: Finanziell in Not geratene Menschen erhalten dringend benötigtes Geld und „opfern“ dafür ihr Auto. Wie das funktioniert, zeigt anschaulich der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall, der in Dortmund spielte.

Ein Mann brauchte dringend Geld. Pfando kaufte ihm seinen BMW M5 für 5000 Euro ab. Zu einem Zeitpunkt, in dem der Wagen, so wurde es gerichtlich festgestellt, einen Händlereinkaufswert von 13 700 Euro hatte. Klingt nach einem für den Mann sehr schlechten Geschäft. Das Gute für ihn war jedoch: Nach außen wurde seine Geldnot nicht sichtbar, er durfte den Wagen weiterhin fahren. Freilich gegen eine monatliche Mietzahlung von 495 Euro. Auf diese Weise zahlte er neun Monate lang insgesamt 4455 Euro Miete. Damit nicht genug: Die Unterhaltungskosten (Versicherung, Steuern, Wartung, Reparatur) musste der Mann auch weiterhin tragen. Als er nach neun Monaten die Miete nicht mehr zahlte (oder zahlen konnte), kündigte Pfando den Mietvertrag und ließ das Auto versteigern. An der Versteigerung nahm das Unternehmen selbst teil, erwarb dabei das Auto und verkaufte es anschließend weiter.

Der Bundesgerichtshof sah, wie schon das Oberlandesgericht Hamm in der Vorinstanz, ein „wucherähnliches Rechtsgeschäft“. Folge ist nach § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches, dass sowohl der Kaufvertrag als auch der Mietvertrag nichtig waren. Das Auto war zwar mittlerweile an einen Dritten verkauft worden, was sich nicht mehr rückgängig machen ließ. Pfando muss aber dem übervorteilten Autofahrer Schadensersatz in Höhe von 16 000 Euro (Wiederbeschaffungswert) zahlen und auch die erhaltenen Mieten in Höhe von 4554 Euro erstatten. Anrechnen lassen muss sich der Prozessgewinner freilich die 5000 Euro Cash, die ihm bei Verkauf des Autos aus der akuten Geldnot geholfen hatten.

Eine von Pfando beauftragte Anwaltskanzlei sagte nach dem Urteil gegenüber der Deutschen Presseagentur, dass es sich um einen „einzigen, lange zurückliegenden und nicht vergleichbaren Einzelfall“ handle. Der Erfurter Rechtsanwalt Holger Schilling, der nach eigenen Angaben eine dreistellige Zahl von unzufriedenen Ex-Pfando-Kunden betreut, sieht das ganz anders: „Auch für die ganz neuen Fälle, die wir vorliegen haben, würde ich nach dem, was ich heute gehört habe, überall den Wucher bejahen.“

Pfando selbst schreibt aktuell auf seiner Internetseite, dass der Bundesgerichtshof die Rechtmäßigkeit des Geschäftsmodells von Pfando bestätigt habe, weil damit nicht gegen die Gewerbeordnung verstoßen werde. Das stimmt, so hat der Bundesgerichtshof tatsächlich geurteilt. Aber eben auch, dass jedenfalls in dem entschiedenen Fall dem Unternehmen Wucher und eine damit einhergehende „verwerfliche Gesinnung“ zur Last gelegt wird. Das wird freilich auf der Internetseite verschwiegen.

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