Konzert Eine eigene fantasievolle Tonsprache

Das Schlippenbach-Trio hat auf seiner „Winterreise“ Halt im ausverkauften Ort gemacht.

Improvisierte Musik mit Alexander von Schlippenbach (Piano) und Evan Parker (Saxofon). Außerdem war noch Paul Lytton (Schlagzeug) beim Konzert im Ort dabei.

Improvisierte Musik mit Alexander von Schlippenbach (Piano) und Evan Parker (Saxofon). Außerdem war noch Paul Lytton (Schlagzeug) beim Konzert im Ort dabei.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

Die Bedeutung des Free Jazz ist oft irrig, werden doch auch Musiker in diese Kategorie eingestuft, deren Wurzeln nicht unbedingt im Jazz liegen. Selbst Urgesteine wie der Wuppertaler Saxophonist Peter Brötzmann können damit nicht viel anfangen. Die Bezeichnung „frei improvisierte Musik“ kommt dieser Gattung wohl am nächsten. Ein berühmter Vertreter dieser Richtung ist das Schlippenbach-Trio, das auf seiner alljährlichen „Winterreise“ erneut im Ort Station machte und für ein beeindruckendes Konzert sorgte.

Einige mussten wegen des großen Andrangs abgewiesen werden

Wer an diesem Abend den Künsten der drei Vollblutmusiker im voll besetzten Veranstaltungsraum – Besucher mussten sogar wegen des zu großen Andrangs wieder nach Hause geschickt werden – lauschte, bekam traditionelle Jazzbezüge mit. Stilistiken solch legendärer US-amerikanischer Größen wie Thelonious Monk, John Coltrane oder Ornette Coleman waren nicht von der Hand zu weisen. Ganz kurze latente Ausflüge zum Boogie-Woogie und Swing gab es auch. Verfremdete, gerückte Jazzharmonien zeugten von einem großen Sachverstand auf diesem Gebiet.

Doch diese Ausdrucksformen waren nur die eine Seite der Medaille. Gerade Alexander von Schlippenbach spielte am Flügel kunstfertig mit der klassischen Avantgarde, als da sind die 12-Ton-Technik, Aleatorik, der Minimalismus und Serialismus mit all ihren rhythmischen wie dynamischen Nuancen.

Von Eklektizismus konnte aber überhaupt keine Rede sein. Denn von Schlippenbach, Evan Parker am Tenorsaxophon und Schlagzeuger Paul Lytton entwickelten solche Muster hin zu einer eigenständig-fantasievollen Tonsprache.

Ruhig, fast kontemplativ wurde mit Motiven, kleinen Tonfolgen oder einfachen Akkordabläufen begonnen, die sie außerordentlich kommunikativ expressiv-drängend steigerten, diese Entwicklung auf dem Höhepunkt abrupt abbrechen ließen, um mit neuen Ideen von vorne zu beginnen. Ob allein, im Duo oder Trio: Dabei reizten sie sämtliche realisierbaren Ausdrucksmittel ihrer Instrumente voll aus.

Aufgrund dieser Haltung und solch eines kreativen Umgangs mit Musikstrukturen hat das seit den 70er Jahren existierende Schlippenbach-Trio unbenommen europäische Musikgeschichte geschrieben. Eine Rentnerband bilden von Schlippenbach (80 Jahre) Parker (78 Jahre) und Lytton (71 Jahre) aber noch lange nicht. Denn die drei Musiker mit ihrem blinden Verständnis füreinander strahlten nach wie vor eine enorm große musikalische Vitalität aus.

Der verdiente Dank war begeisterter Applaus, der in eine kurze Zugabe mündete.

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