Geschichte „Wir tragen den Krieg in uns”

Krefeld · Die NS-Dokumentationsstelle zieht in Corona-Zeiten mit ihrer Filmreihe in die Fabrik Heeder. Der Film „Der Krieg in mir“ von Sebastian Heinzel wurde jetzt im Innenhof gezeigt.

 Regisseur Sebastian Heinzel war persönlich anwesend. Hier ist er im Gespräch mit Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle.

Regisseur Sebastian Heinzel war persönlich anwesend. Hier ist er im Gespräch mit Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle.

Foto: wz/MARK MOCNIK

Ludwig Germann ist schreckhaft. Beim Klingeln des Telefons zuckt er oft zusammen. Lange hat er überlegt, woran das liegen könnte. Jetzt könnte er die Antwort gefunden haben: Germann hat die Krefelder Bombennacht 1943 als Baby überlebt. Er führt seine Empfindlichkeit auf die Erfahrungen und die der Eltern von damals zurück. Damit ist er nicht alleine, wie der Film „Der Krieg in mir“ zeigt. Er wurde jetzt im Innenhof der Fabrik Heeder im Rahmen der Filmreihe der NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer gezeigt.

Der Abend ist sehr warm. Es geht ein kühlender Windzug zwischen den Gebäuden hindurch. Die Tische stehen auf Corona-Abstand. Die rund 40 Besucher sind interessiert und fühlen sich oftmals auch vom Thema betroffen.

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass extreme Stresserfahrungen genetisch weitervererbt werden können. Regisseur Sebastian Heinzel hat dies aufgrund eigener Erfahrungen aufgearbeitet. „Ich habe immer vom Zweiten Weltkrieg geträumt. Das konnte ich anhand der Uniformen und der Sprache zeitlich zuordnen“, berichtet der 41-Jährige, der sich unter den Gästen befindet. „Ich bin dann mit meinem Vater nach Weißrussland gereist und – ohne es zu wissen – an genau dem Ort angekommen, an dem mein Großvater als Wehrmachtssoldat stationiert war.“

Die Spurensuche habe ihn inspiriert, sich mit der Familiengeschichte auseinander zu setzen, berichtet er weiter. Auch unter dem Aspekt: „Wie beeinflusst sie mich heute? Woher kommen die Ängste und Schuldgefühle, die mir unerklärlich sind?“ Er entdeckt erstaunliche Verbindungen zu seiner eigenen Geschichte und den Kriegsträumen, die ihn seit Jahren verfolgen.

So schafft der Dokumentarfilm viel Bewusstsein dafür, wie katastrophal Kriege sind. Sie beeinflussen nicht nur Soldaten und Zivilbevölkerung, sondern wirken auch auf die Kinder- und Enkelgeneration mit diesen schmerzhaften Traumata nach.

Besucherin Katja Benner ist aus Düsseldorf gekommen. „Ich interessiere mich für die Arbeit der Villa Merländer und auch diesen Austragungsort, die Fabrik Heeder. Das Thema ist spannend, wie sich der Krieg auswirkt auf die folgenden Generationen“, sagt sie. Silvia Osada wohnt in Düsseldorf, stammt aus Krefeld. Sie kennt das Phänomen der „German Angst“, die bei einer Bekannten diagnostiziert wurde. Der Begriff bezeichnet unter anderem eine generalisierte Angststörung, eine unbegründete diffuse Furcht. „Ich bin skeptisch, aber offen, zu sehen, wie sich die Erinnerungen an den Bombenkrieg auswirken können.“

Auch Angelika Wolf findet das Thema aufregend und wichtig. „Ich habe für eine Dokumentation noch Gespräche mit meinem 75-jährigen Vater zu seinem Geburtstag über den Krieg führen können und dabei vorher noch nie gehörte Erfahrungen gehört. Es war die größte Annäherung an den Vater. Wir haben alle den Krieg in uns.“

Tom Aust ist gekommen, um mehr über die Villa Merländer zu erfahren. „Ich möchte mich als Vorruheständler in die Arbeit dort einbringen.“ Es sei toll, dass die Filmreihe stattfinden könne. „Corona verändert Einiges.“

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