Interview Leiter der Mahn- und Gedenkstätte: „Das 39er-Denkmal ist ein Scheinriese“

Düsseldorf · Bastian Fleermann verteidigt den Vorschlag für den Reeser Platz, der zuletzt einige Kritik erfahren hat.

 Der Siegerentwurf für den Reeser Platz trägt den Titel „Those who have crossed“. 

Der Siegerentwurf für den Reeser Platz trägt den Titel „Those who have crossed“. 

Foto: Ultrastudio

Vermehrt kritisieren Künstler den Siegerentwurf einer Stahlbrücke über dem 39er-Denkmal auf dem Reeser Platz. Claus Föttinger beispielsweise hält eine Vereinnahmung durch Umformung für eine „Milchmädchenrechnung“. Er findet es grauenhaft, wie in seiner Heimatstadt Nürnberg auf der großen Tribüne im Reichsparteitagsgelände Fahnen mit „Fröhliche Eiszeit“ im Format der NSDAP-Fahnen wehen. Bastian Fleermann von der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf hält dagegen. Wir sprachen mit ihm.

Herr Fleermann, was überzeugt Sie am Entwurf der Künstlergruppe Konsortium?

Fleermann: Ich war Teil der Jury. Ich konnte aus Termingründen beim zweiten Durchlauf nicht dabei sein, aber ich trage den Entwurf mit. Ich glaube auch nachvollziehen zu können, warum Kritik gekommen ist.

Nämlich?

Fleermann: Wir diskutieren auf der Basis einer einzigen Animation, die aber dem Modell nicht gerecht wird. Wir haben hinter dem historischen Denkmal eine wunderbare Anhäufung, die barrierefrei sein soll und in einer sehr leichten Spiralform zur Brücke oder zum Steg führt. Das erkennt man auf dem Foto bisher nicht. Der Vorwurf, wir würden die Geschichte umformen oder umdrehen, stimmt deswegen nicht, weil der Entwurf das historische Mahnmal (unter Denkmalschutz) belässt, wie es immer gewesen ist. Wir führen den Steg filigran darüber. Der begrünte Hügel wird den Komplex ganz anders definieren. Das sieht man auf dieser Animation nicht, das kann man auch nur von oben darstellen.

Moniert wird der schiefe Steg.

Fleermann: Den schiefen Steg, der in klarer Struktur die faschistische Quadratur des Platzes durchbricht, finde ich gerade interessant. Diese Asymmetrie findet man eben in Nürnberg nicht. Dort gibt es nur Parallelitäten.

Der Künstler Claus Föttinger spricht von „Achsenarchitekturgerede“. Das ist eher ein Vorwurf.

Fleermann: Die Frage der Perspektive ist sehr wichtig. Das Mahnmal am Reeserplatz war immer ein Scheinriese. Man geht auf den Platz und wird optisch oder mental in diese Gruft gezogen. Die Gruft ist aber ganz dürr, sie hat nichts zu bieten. Sie ist eine hohle Kulisse. Wer darüber steigt, wird das erkennen. Es ist gleichsam eine künstliche, kleine Pappkulisse. Sie wirkt monumental, aber sie ist es eben nicht. Der Steg ermöglicht uns, diesen neuen Blick auf der Brücke zu haben und tief herabzugucken. Das heißt noch lange nicht, dass sich jeder Besucher hinstellt und eine Fahne schwingt.

Parallel zu Düsseldorf wird in Braunau diskutiert, ob es Sinn macht, das Hitlerhaus für die Polizei umzuwidmen. Wie finden Sie das?

Fleermann: Das kann ich von hier aus nicht beurteilen. Dort verkörpert die Polizei den Rechtsstaat, der über das Gebäude gesiegt hat. Aber für Düsseldorf finde ich die Art, durch eine Diagonale die Perspektive zu verdrehen, intelligent genug.

Können Sie dennoch die Argumentation von Künstlern verstehen, dass man ein Denkmal einfach belassen sollte, wie es ist?

Fleermann: Ohne Debatte geht es nicht. Aber: Wir reißen ja keine historischen Quellen weg. Das alte Mahnmal ist eine historische Quelle, die bleibt. Wir sind keine Barbaren, sondern wir kommentieren das Denkmal mit einer demokratischen Transparenz, durch Durchblick, Überblick und Einblick. Wir fragen nach neuen Blicken. Deswegen kann ich den Vorwurf, dass es an Nürnberg erinnert, nicht teilen. Wir haben als Jury nicht geguckt, woher die Einsendenden sind. Aber mittlerweile wissen wir auch, dass Professor Jürgen Wiener im Kollektiv hinter dem Siegerentwurf dabei ist, den ich für den renommiertesten Architekturhistoriker der Stadt halte.

Diese Personalie überzeugt Sie also?

Fleermann: Sich als Künstler und Architekturhistoriker zu einem Kollektiv zusammenzuschließen, das war ganz stark. Man kann weder als Künstler noch als Architekturhistoriker ganz allein damit umgehen. Ein Kollektiv mit einem Wissenschaftler an Bord zu bilden, war ein guter Schachzug.

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