Meinung Die schwarze Null hat ausgedient

Meinung | Düsseldorf · Nicht über seine Verhältnisse leben: Diese Überzeugung bestimmt seit vielen Jahren wie keine andere die deutsche Politik. Die Schuldenbremse hat sogar Verfassungsrang.

 Rolf Eckers

Rolf Eckers

Foto: Sergej Lepke

Als Angela Merkel 2005 Bundeskanzlerin wurde, lag die Schuldenquote bei 67 Prozent der Wirtschaftsleistung, in diesem Jahr werden es 58 Prozent sein – sieht aus eine Erfolgsgeschichte. Zwar ist das Land unter Führung der CDU-Politikerin nach links gerückt (raus aus der Atomkraft, weg mit der Wehrpflicht, her mit dem Mindestlohn), aber der staatliche Schuldenverbot steht. Es gehört sowohl für die Union als auch für Kanzlerin Merkel zum Markenkern. Und die schwarze Null steht nicht nur dort. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ist ein großer Anhänger von Haushalten, die ohne neue Kredite auskommen – für ihn der Beweis, wie gut Sozis mit Geld umgehen können.

Gut möglich, dass Scholz seine Haltung in den nächsten Wochen noch ändert. Denn bei seiner Werbetour im Rennen um den SPD-Vorsitz kommen neben der schwarzen Null ganz sicher auch andere Zahlen auf den Tisch. Zum Beispiel, dass es nach Angaben der Staatsbank KfW allein bei den Kommunen eine Investitionslücke von unfassbaren 138 Milliarden Euro gibt. Überall im Land verfällt die Infrastruktur. Schulen, Straßen und Brücken sind marode, es fehlen Kitas und Straßenbahnen, bei der Versorgung mit Glasfaserkabel steht Deutschland so schlecht da wie kaum eine andere Industrienation. Allein bei der Bahn gibt es binnen zehn Jahren einen Investitionsbedarf von fast 100 Milliarden Euro. Um solche Summen geht es auch beim Klimaschutz. Mit dem Festhalten an der schwarzen Null lässt sich das nicht stemmen.

Derzeit fehlt es auf den Baustellen dieser Republik nicht an Geld, sondern an Planern und Bauarbeitern. Aber so wird es nicht bleiben. Wer über zehn, 15 Jahre auf hohem Niveau in Klimaschutz und Infrastruktur investieren möchte, muss davon ausgehen, dass die Steuereinnahmen dafür nicht reichen. Der Deutschlandplan des Ökonomen Michael Hüther ist deshalb sinnvoll. Er will neben dem Haushalt ein Sondervermögen auflegen, um die Investitionen über neue Schulden zu ermöglichen, ohne die Schuldenbremse auszuhebeln. Zurückzahlen müssen das spätere Generationen. Aber genau die profitieren auch davon, wenn der Staat jetzt beginnt, Geld für Klimaschutz, Digitalisierung und saubere Mobilität auszugeben. Zumal der Bund derzeit nicht einmal Zinsen zahlt, wenn er neue Schulden macht, sondern daran verdient. Es ist absurd, aber es gibt an den Finanzmärkten an Überangebot an Geld. Also: Nicht sparen, sondern das Land modernisieren.

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