Wenn Senioren noch Auto fahren

Kritiker fordern Eigungstests , dabei sind die meisten Älteren unfallfrei.

Bonn. Senioren am Steuer - dieses Thema sorgt immer wieder für Gesprächsstoff. Regelmäßig melden sich Politiker oder vermeintliche Experten zu Wort, die meinen, man müsste ältere Autofahrer und deren Fahrtüchtigkeit genauer kontrollieren. Ebenso häufig kommen von anderer Seite Belege dafür, dass ältere Autofahrer keinesfalls übermäßig an Unfällen beteiligt sind und keine Gefahr darstellen.

Oft wiederum wird der Begriff Senioren bereits für Menschen im Alter ab 65 Jahren benutzt. In Zukunft dürften solche Fahrer aber als echte "Jungspunde" durchgehen: Denn vor allem die Gruppe der Über-80-Jährigen wird in absehbarer Zeit stark wachsen - und damit neue Herausforderungen an die Verkehrsexperten stellen.

Die Veränderung der Bevölkerungsstruktur geht in eine einzige Richtung: Der Durchschnitt der Menschen wird immer älter. Laut dem Verkehrspsychologen Prof. Bernhard Schlag von der Technischen Universität Dresden geht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) davon aus, dass in vielen OECD-Ländern schon ab dem Jahr 2030 jeder Vierte 65 Jahre oder älter ist. Der Anteil der Über-80-Jährigen wiederum wird von heute nur vier Prozent auf mehr als zwölf Prozent wachsen. Für Deutschland wird sogar von einem Anteil von 18 Prozent 80-Jähriger ausgegangen.

Verändern wird sich aber nicht nur das Durchschnittsalter an sich, sondern auch das Geschehen auf den Straßen. Denn in der Vergangenheit bewegten sich die Alten meist als Fußgänger oder waren Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel. "Jetzt aber altert die erste Generation, in der fast alle einen Führerschein besitzen", sagt Maximilian Maurer vom ADAC. Für diese Gruppe ist die Nutzung des Autos unverzichtbar.

Diese älteren Autofahrer wollen aber nicht nur unterwegs sein. Sie müssen sich auch mit den negativen Begleiterscheinungen des Alters abfinden. Gerade diese werden immer wieder als Grund dafür genannt, dass ältere Menschen ihre Fahrtüchtigkeit regelmäßig bei Tests unter Beweis stellen sollten.

Doch dahinter steckt wohl nicht nur guter Wille: "Es geht auch um wirtschaftliche Interessen", sagt Prof. Bernhard Schlag. Wenn die älteren Menschen regelmäßig bestimmte Tests absolvieren müssten, gäbe es auch Menschen, die daran verdienen.

Tatsächlich sieht es aber im Zusammenhang mit den Unfallgefahren für ältere Verkehrsteilnehmer alles andere als schlecht aus. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in Bergisch Gladbach hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt und kam zu diesem Schluss: "Insgesamt gilt, dass sowohl die vorliegenden Untersuchungsergebnisse als auch die Zahlen der amtlichen Statistik bislang kein bedrohlich steigendes Verkehrsrisiko mit zunehmendem Alter aufweisen."

Auch die typischen Fahrfehler der älteren Generation hat man bei der BASt ermittelt: Meist sind es unter anderem Vorfahrtsfehler und Rotlichtmissachtungen. "Die Zielgruppe ist nicht gefährlich", fasst daher Burkhard Gerkens, Referent Ältere Verkehrsteilnehmer beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) zusammen.

Zwar kommen mit dem Alter auch typische Begleiterscheinungen wie schlechteres Sehen, geringere körperliche Beweglichkeit oder ein Nachlassen der Reaktionsfähigkeit. Auf der anderen Seite steht laut Bernhard Schlag aber noch ein weiterer wichtiger Faktor: "Ältere Menschen können vieles davon durch ihre Erfahrungen wieder ausgleichen." So fährt mancher nicht mehr in der Dunkelheit, andere umfahren stressige Verkehrsknotenpunkte.

Weil sich aber eben nicht jede Begleiterscheinung des Alters ausgleichen lässt, sind die Fahrer selbst, ihre Verwandten und auch die Hausärzte gefordert. Allerdings nach Meinung der Fachleute vor allem auf freiwilliger Basis. Die Fahrer sollten sich kritisch mit ihren Fähigkeiten auseinandersetzen, die Familie sollte auf eventuelle Handicaps hinweisen.

Schließlich ist die Mobilität nicht selten auch die einzige Möglichkeit, noch am Leben außerhalb teilzunehmen: Laut Burkhard Schlag hat eine Studie in den USA ergeben, dass das Risiko, im Alter dauerhaft betreut werden zu müssen, für Menschen, die seit mindestens sechs Monaten nicht mehr Auto gefahren sind, fünfmal so hoch ist wie bei aktiven Fahrern.

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