Wuppertalern gefällt das Skandal-Stück aus Düsseldorf
Die Spannung war deutlich zu spüren — auf wie vor der Bühne. Ein Darsteller fehlte, dennoch überzeugte das „Rechnitz“-Spiel.
Wuppertal. Das Schicksal ist unberechenbar. Seit Monaten steht fest, dass Wuppertal beim NRW-Theatertreffen der Nabel der Bühnenwelt werden soll. Doch dann passiert etwas, das keiner erwartet hat: Einer der Schauspieler erscheint nicht. „Normalerweise sind wir mehr“, erklärt Daniel Christensen vor Beginn der Vorstellung von „Rechnitz (Der Würgeengel)“. Es klingt entschuldigend und leicht unsicher, irgendwie auch etwas verschmitzt und optimistisch, auf jeden Fall aber erfrischend ehrlich.
Die Schuldfrage kann — in diesem Fall — schnell geklärt werden: Verantwortlich dafür, dass das Düsseldorfer Schauspielhaus bei seinem Geschichtsrückblick in Barmen improvisieren muss, sind die Unplanmäßigkeiten der modernen mobilen Welt. „Ein Kollege hängt am Flughafen in Lissabon fest“, sagt Christensen. Markus Danzeisen hat es am Donnerstagabend nicht nach Wuppertal geschafft. Was nun?
Christian von Treskow, Schauspiel-Intendant, über seine Rolle beim Publikumsgespräch.
„Wir haben den Text zwischen uns aufgeteilt“, sagt sein Kollege. „Jetzt schauen wir mal.“ Ein Motto, das genauso für das Publikum gilt: Auch die Gäste im nicht ausverkauften, aber gut gefüllten Opernhaus sind genau deshalb da — um zu schauen, ob das Theatertreffen hält, was es verspricht.
Dabei stehen die Zeichen durchaus auf Provokation. Elfriede Jelineks sprachgewaltiges Spiel über ein Massaker an 180 Juden zum Zeitvertreib der Nazi-Prominenz ist alles andere als leicht verdaulich. Vor allem die Schluss-Szene wirkt verstörend — sie entpuppt sich als Dialog zwischen dem „Kannibalen von Rotenburg“ und seinem Opfer. Nazis und Kannibalismus: Bei einer Aufführung des Skandal-Stücks in Düsseldorf platzte Zuschauern der Kragen. Ein Teil verabschiedete sich schimpfend, ein älterer Herr bespuckte gar die Abendspielleiterin.
Und in Wuppertal? Da verlassen nur einige Wenige kurz for Schluss den Saal. Die meisten Zuschauer applaudieren lang und heftig, manche sogar im Stehen.