Corona-Folgen Jugendämter sind in der Krise wachsam

Kreis Viersen. · Die Kinder gehen zurzeit nicht in die Kita und nicht zur Schule. Familien verbringen sehr viel Zeit miteinander. Das kann zu Problemen führen, warnen Kinderschutzvereine. Die Jugendämter halten sich für Anfragen bereit.

 Häusliche Gewalt und Kindesmissbrauch könnten in der Corona-Krise zum verstärkten Problem werden.

Häusliche Gewalt und Kindesmissbrauch könnten in der Corona-Krise zum verstärkten Problem werden.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. Es sind Probleme, die sich eventuell nun hinter den verschlossenen Türen abspielen könnten. Häusliche Gewalt und Kindesmissbrauch könnten nun zum verstärkten Problem werden. Verschiedene Kinderschutzvereine rufen aktuell zur großen Wachsamkeit auf. Denn wenn Menschen nun den ganzen Tag mit ihren Kindern verbringen, seien einige damit überfordert. Der Druck steigt und damit, so vermuten es Vereine, auch die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder und manchmal auch Elternteile in den kommenden Wochen und Monaten häufiger von Gewalt betroffen sein könnten. Familien, die bereits Hilfen zur Erziehung erhalten, müssten gerade in diesen schweren Zeiten „aufgefangen“ werden.

Wenn es nötig ist, werden
auch Hausbesuche gemacht

Zurzeit sei es noch ruhig, sagen Vertreter von Jugendämtern. Aber auch sie rechnen damit, dass es in nächster Zeit durchaus vermehrt zu Problemen in Familien kommen kann.

Die Herausforderungen für die Jugendämter sind zurzeit vielfältig. Dennoch betont Willichs zuständige Beigeordnete Brigitte Schwerdtfeger, dass der Allgemeine Soziale Dienst (ASD), der Beratung, Information und Hilfe in Problem- und Krisensituationen anbietet, auf jeden Fall handlungsfähig sei. Man habe ein Konzept erstellt, um in jedem Fall eine Bereitschaft sicherstellen zu können. Wenn Kräfte krankheitsbedingt ausfallen, rücken Kollegen nach. Einige arbeiten zurzeit im Homeoffice. Das Thema Kindeswohlgefährdung habe man im Blick. Zwar würden, wo es möglich ist, Fragen zurzeit gerne telefonisch geklärt. Wo es nötig ist, fahren die Mitarbeiter aber auch raus.

Mehr Anfragen
werden erwartet

So handhaben es zurzeit auch andere Jugendämter. Hausbesuche finden weiterhin statt, wenn es nötig ist, so der stellvertretende Amtsleiter des Kempener Jugendamtes Mark Engelhardt, der unter anderem für den ASD in Kempen zuständig ist. „Zurzeit sind die Menschen noch sehr beschäftigt. Aber ich gehe davon aus, dass wir in nächster Zeit mehr Anfragen bekommen werden“, so Engelhardt. Das kenne man schon von Sommerferien oder den Weihnachtsfeiertagen, wenn Familien viel Zeit miteinander verbringen. Zu den Familien, die dem Jugendamt bereits bekannt seien, halte man zurzeit Kontakt, damit die Familien wüssten, dass sie nicht allein sind. Es gibt eine Rufbereitschaft, die immer zur Verfügung steht.

Bei Besuchen würden die Jugendamtsmitarbeiter auf die notwendigen Hygienemaßnahmen achten. Handschuhe und Desinfektionsmittel stehen bereit, Abstand wird eingehalten.

Die Jugendämter haben in der aktuellen Krisensituation natürlich auch weitere Themen zu bearbeiten, schildert Andreas Walter, der als stellvertretender Leiter des Kempener Jugendamtes unter anderem für die Sachgebiete Frühe Förderung sowie Kinder- und Jugendarbeit zuständig ist. „Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen das Jugendamt in verschiedenen Bereichen. Zum einen könne die Gefahr steigender häuslicher Gewalt entstehen, zum anderen haben viele Eltern ein Betreuungsproblem durch die Schließung der Kindertageseinrichtungen, Tagespflegen und Schulen.“ Außerdem hätten die Außendienstmitarbeiter des Jugendamtes umgehend gehandelt, so dass spontan „entstandene Gruppenbildungen von Jugendlichen“ durch Aufklärungsarbeit von Sozialarbeitern aufgelöst werden konnten. Die Notbetreuung für Personen aus „systemkritischen Bereichen“ zur Erhaltung der Infrastruktur musste eingerichtet werden.

„Mediale Kontakte“
werden aufrechterhalten

„Aufsuchende ambulante Jugendhilfen durch unsere eigenen Kräfte und auch durch beauftragte freie Träger finden derzeit in der Regel nicht mehr vor Ort statt“, teilt das Jugendamt des Kreises Viersen auf Anfrage mit. „Es werden soweit möglich und sinnvoll mediale Kontakte aufrechterhalten. Wo nach Einschätzung der Fachkräfte, die ja durch den engen Bezug zu den Familiensystemen diese gut einschätzen können, eine konkrete Gefährdung nicht auszuschließen ist oder sich gar wegen der momentanen Situation ergibt, werden unter Einhaltung der realistischen Hygienemaßnahmen auch Ortstermine durchgeführt.“ Meldungen zu Kindeswohlgefährdungen werde selbstverständlich weiterhin unverzüglich „durch örtliche Inaugenscheinnahme“ durch zwei Fachkräfte des Jugendamtes nachgegangen.

Am Dienstag teilte der Kreis zudem mit, dass Träger, die ambulante Hilfen im Jugendbereich anbieten, vom Kreis Viersen und seinen Kommunen mit eigenem Jugendamt in der Corona-Krise auch dann fortlaufend Zahlungen erhalten, wenn sie ihre Leistungen nicht in vollem Umfang oder nur telefonisch erbringen können. Das beschlossen der Kreis Viersen und die Bürgermeister jetzt in einer Telefonkonferenz.

Lothar Thorissen, Leiter des Amts für Schule, Jugend und Familie des Kreises Viersen, erklärt dazu: „Uns Jugendämtern ist natürlich sehr daran gelegen, dass die Träger auch nach der Krise noch zur Verfügung stehen. Soweit es geht, betreuen sie die Klienten ja auch telefonisch oder auf anderem Wege weiter.“ Für die Jugendämter entstünden keine Mehrausgaben.

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