Sinfoniker: Ein Klagegesang als heftiger Aufschrei

Generalmusikdirektor Mihkel Kütson schreibt über das Chorkonzert am Dienstag.

Krefeld. Es gibt ganz selten Komponisten, deren Namen nach Jahrhunderten wieder auftauchen — und plötzlich stellt man voller Bewunderung fest, welchen musikalischen Schatz man in Händen hält. Wenn es nach der Qualität und Originalität seiner Werke ginge, müsste Jan Dismas Zelenka in einem Atemzug mit Bach und Händel genannt werden.

Der aus Böhmen stammende Komponist trat 1710 in den Dienst des katholischen Dresdner Hofs. Für die Karwoche des Jahres 1738 vertonte er den Bußpsalm „Miserere mei, Deus“, der im 2. Chorkonzert der Niederrheinischen Sinfoniker und des Niederrheinischen Konzertchors aufgeführt wird. Zelenka hat diese Bitte um Erbarmen als heftigen Aufschrei komponiert: Über erregten Rhythmen bohren sich zunächst die Orchesterstimmen dissonant ineinander, dann tritt der Chor hinzu und entfaltet einen Klagegesang von ungeheurer Eindringlichkeit.

Dem erfahrenen Opernkomponisten Johann Adolf Hasse wiederum schwebte bei seiner „Miserere“-Vertonung ein affektreiches und lebhaftes Musikideal vor. Interessant ist, dass gerade ihm der Posten des Hofkapellmeisters in Dresden angetragen wurde, um den sich Zelenka vergeblich bemüht hatte. Drei Jahrzehnte lang wirkte Hasse am Dresdner Hof, dessen Orchester damals als „vollkommenstes Ensemble“ in ganz Europa galt.

Den Konzertbesuchern bietet sich die Möglichkeit, sich ihr eigenes Bild über die Vorzüge der beiden Konkurrenten zu machen. Giovanni Battista Pergolesis „Stabat mater“ gehört in seiner Verbindung von Kontrapunktik und empfindsamem Ton zu den populärsten, schönsten Werken der barocken italienischen Musik für die Passionszeit.

Um die Wirkung dieser Musik zu beschreiben, verglich der Neapolitaner Guglielmo della Valle sie 1785 mit Werken der großen italienischen Renaissance-Maler: „Pergolesi macht reichen Gebrauch von den Molltonarten, lässt dann aber den Pinsel des Correggio fallen und greift den des Michelangelo auf, indem er ein heftiges, aufrüttelndes Dur anstimmt, das einen nicht schlafen lässt.“ Die junge Sopranistin Sophie Witte und die junge Mezzosopranistin Olga Privalova werden das erschütternde Gemälde in Töne gießen und die Geschichte der trauernden Mutter Jesu erzählen.

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