Wasserball-Interview „Bei uns wird kein Spieler bezahlt“

Düsseldorf · Mathias Iking, Wasserballwart des Düsseldorfer Schwimmclubs 1898, über den Aufstieg in die erste Bundesliga (DWL) — und was der sportlich und finanziell für den Verein bedeutet.

 DSC-Torwart Sascha Vaegs war einer der Gründe dafür, warum der Düsseldorfer Schwimmclub 1898 die Zweitliga-Meisterschaft sowie den NRW-Pokal gewann.

DSC-Torwart Sascha Vaegs war einer der Gründe dafür, warum der Düsseldorfer Schwimmclub 1898 die Zweitliga-Meisterschaft sowie den NRW-Pokal gewann.

Foto: DSC 1898

Herr Iking, die deutsche Wasserball-Nationalmannschaft hat es bei der WM diese Woche bis ins Viertelfinale geschafft. Ein schönes Gefühl, dass es nach Jahren in der Nische mal wieder etwas Aufmerksamkeit für Ihren Sport gab?

Mathias Iking: Sportlich gab es ein Ziel, das haben sie erreicht und auch gut gespielt. Da können wir uns drüber freuen, aber die Entwicklung muss natürlich fortgesetzt werden, um den Traum der Olympia-Teilnahme zu verwirklichen. Ich vermute, die Aufmerksamkeit hat auch viel mit der Geschichte um Bundestrainer Hagen Stamm und seinen Sohn Marko zu tun, der trotz seines Bänderrisses gespielt hat. Das sind die Anekdoten, die der Wasserball schreibt.

Nun ist vielerorts zu hören und zu lesen, der deutsche Wasserball sei auf einem guten Weg. Gleichzeitig ziehen sich aber Traditionsvereine aus der Bundesliga zurück oder verzichten auf die Aufstiegsrunde. Wo steht der Sport also 2019?

Iking: Da zeichnet sich gerade ein Prozess ab. Zunehmende Professionalisierung ist auch immer mit Opfern verbunden. Diesen Prozess haben andere Sportarten wie Handball, Basketball oder Volleyball in früheren Jahren auch durchlaufen, der Wasserball ist da eben später angekommen. Es gibt jetzt Anforderungen, die zu erfüllen sind. Es gibt Vereine, die sich mehr in Richtung Marketing und Profiverträge für Spieler entwickelt haben. Und dann gibt es Vereine, die den Schritt nicht mitgehen können und sich aus der Bundesliga verabschieden. Andererseits nehmen drei Vereine, die noch in den Qualifikationsrunden waren, ihr Aufstiegsrecht wahr. Das spricht jetzt nicht gegen die DWL.

Einer der Aufsteiger ist Ihr Verein. Trotzdem gab es lange Diskussionen innerhalb des DSC, ob man das überhaupt machen soll. Was hätte dagegen gesprochen, in die Bundesliga zu gehen?

Iking: Dadurch, dass wir keine Profis haben, kommt es maßgeblich darauf an, welche Spieler überhaupt bereit und in der Lage sind, den Schritt zu gehen. Natürlich sind wir alle Sportler, suchen immer die Herausforderung und wollen uns mit den Besten messen. Aber wenn die Spieler den zeitlichen Aufwand nicht bestreiten können, um den Klassenerhalt zu schaffen, hilft uns das nicht.

Wie sah der Entscheidungsprozess aus?

Iking: Wir haben uns nach dem erfolgreichen Pokalfinale zusammengesetzt, da gab es ein ganz klares Votum der Spieler. Nur vereinzelte haben gesagt, dass sie das Pensum in der ersten Liga nicht vollständig mitgehen können. Ein Fragezeichen steht aber hinter unseren Abiturienten, weil sie noch nicht wissen, wo sie studieren oder eine Ausbildung machen werden.

Wie sieht das Leben eines Düsseldorfer Wasserballers aus? Bedeutet „keine Profis“, dass es wenig oder überhaupt nichts gibt?

Iking: Bei uns wird tatsächlich kein Spieler bezahlt — trotz viermal Training und Spiel jede Woche. Es sei denn, er tut noch etwas anderes für den Verein: Wer einen Trainerjob hat, wird natürlich für den Trainerjob vergütet. Man wird mit Wasserball aber ohnehin nicht sein Leben bestreiten können. Auch die Profis werden irgendwann mal so alt sein, dass sie nicht mehr weiterspielen können und einen soliden und normalen Job brauchen. Aber kein Arbeitgeber stellt einen 35-Jährigen als Auszubildenden ein, das heißt, die Spieler müssen das vorher während der Karriere machen.

Und da helfen Sie über Kontakte, Sponsoren oder Menschen aus dem Verein, die eigene Firmen haben?

Iking: Das machen wir. Wir bieten unseren Sportlern die Möglichkeit, perspektivisch zu arbeiten, in dem wir ihnen die Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplätze vermitteln, die sie mit ihren Sport vereinbaren können. Und zwar gute Jobs, von denen man langfristig leben kann.

Das dürfte in der ersten Liga noch wichtiger werden.

Iking: Natürlich, dabei hoffen wir auch, dass die Stadt da ein guter Partner ist, dass wir auch unser Netzwerk über den Stadtsportbund nutzen können. Wir haben in der Vergangenheit gesagt, wenn es Probleme bei unseren Zweitligaspielern gibt, kümmern wir uns darum. Aber wir sind nicht offensiv an andere Spieler herantreten und haben gefragt: „Was hast du für Perspektiven? Was hast du gelernt? Können wir weiterhelfen? Möchtest du ihn Düsseldorf Wasserball spielen?“ Jetzt hören wir uns natürlich um und zeigen Perspektiven auf, weil die Zeit dafür reif ist.

Die Schere in der DWL geht dennoch weit auseinander. Einige Klubs haben einen Millionenetat.

Iking: Man sagt das von den „Großen Zwei“ Waspo Hannover und Spandau Berlin. Ich kann denen natürlich nicht in die Bücher gucken, aber wenn man sieht, wen die als Spieler so auffahren, erscheint das zumindest möglich. Zudem gibt es noch andere Topteams, die ihre Spieler bezahlen. Und dann gibt es welche, die zumindest bestimmte Spieler auf 450-Euro-Basis bezahlen.

Hinzu kommen Trainergehälter, Abgaben, Ausrüstung, Reisen, da kommt einiges zusammen. Wie hoch ist der DSC-Etat für die erste Liga?

Iking: Wir haben mal überschlagen, was eine Basissaison bei anderen Vereinen kostet. Wir sind ja gut vernetzt und können mit Leuten reden, ohne dass das verfänglich würde. Wenn man seine Spieler bezahlt, viele weitere Auswärtsreisen hat und Trainingslager veranstaltet, kostet die Saison etwa 40 000 bis 50 000 Euro. Wir haben aber einen anderen Ansatz. Wir arbeiten erst mal mit dem Geld, das wir selbst erwirtschaften können. Und dann müssen wir schauen, was wir aus Fördertöpfen oder von Sponsoren zusätzlich akquirieren. Und wenn dann am Ende alle Stricke reißen und wir eine Unterdeckung des Etats hätten, haben wir noch Spender im Rücken.

Sie meinen damit die Familie Lindner. Kann man sagen, dass Wasserball in Düsseldorf ohne die Lindners auf dem Niveau nicht möglich wäre?

Iking: Das ist nicht nur die Familie Lindner alleine. Wir haben bisher Sponsoring hauptsächlich durch Spenden ersetzt. Aber das hat gar nicht wirklich etwas mit dem Herren-Wasserball zu tun. Wenn man Schwimmsport auf dem Niveau wie wir betreibt, ist das ohne Spenden nicht möglich. Die öffentlichen Fördermittel und die Mitgliedsbeiträge reichen nicht aus, um die Ausgaben zu decken. Wir haben glücklicherweise Leute, die nicht zwingend auf einer Sponsorentafel erscheinen, aber sich dem Verein verbunden fühlen und im Stillen daran arbeiten, dass es dem Verein gut geht.

Was sind unter den Voraussetzungen die Ziele für die Saison?

Iking: Wir gehen davon aus, dass die Mannschaft noch mal eine Entwicklung macht. Wenn wir den direkten Abstieg dann vermeiden und zum Relegationsturnier kommen, haben wir einen großen Schritt gemacht. Und wenn wir das Relegationsturnier vermeiden, wäre das ein erheblicher Erfolg.

Und abgesehen vom Sportlichen?

Iking: Wir würden uns schon freuen, wenn wir jedes Heimspiel 100 bis 200 Zuschauer ins Rheinbad locken. So eine „volle Hütte“ wie beim NRW-Pokal ist schon schön. Dafür werden wir aber mehr Aufmerksamkeit erzeugen müssen. Wir werden Leute einladen und um die Spiele herum viel machen, natürlich im Rahmen unserer Möglichkeiten. Denn mit der Spielstätte Rheinbad ist das immer so eine Sache. Da muss man viel planen und Besonderheiten beachten.

Welche Besonderheiten sind das?

Iking: Wir können zum Beispiel im Nassbereich kein Catering durchführen. Dafür haben wir Verständnis, da es Bestimmungen gibt, die eingehalten werden müssen. Nur haben wir keine wirkliche Alternative, um in direkter Nähe des Nassbereichs Catering anzubieten.

Das heißt, Sie können mit Essen und Trinken kein Geld verdienen?

Iking: In den Wintermonaten wird es schwierig. Wir können das dann nur im Foyer machen, dass für die Zuschauer nur schwer und durch den Nassbereich erreichbar ist. Dafür reichen die Pausen nicht, also müsste man Spielzeit opfern, um sich etwas zu trinken und zu essen zu holen. Der richtige Verkauf würde dann nur vor oder nach dem Spiel stattfinden. Da muss man sich schon die Frage stellen, ob sich das lohnt. Wenn das Wetter gut ist, kann man das alles draußen in Zelten aufstellen. Aber nur über die Sommermonate Catering anbieten, ist zu kurz und auch dann sind wir wetterabhängig.

Wie sieht der normale Düsseldorfer Wasserballzuschauer aus? Sind das vor allem Vereinsmitglieder sowie Freunde und Familienmitglieder der Spieler oder haben Sie auch richtige Fans?

Iking: Das Gros sind ehemalige Spieler oder Eltern, deren Kinder spielen. Wir haben auch einen Ultra (lacht,), Bubi Böck, der letztens für über 70 Jahre Vereinsmitgliedschaft geehrt wurde und bei fast jedem Heimspiel da ist. Und dann haben wir den ein oder anderen, der sich im Freibad verläuft, aber das ist eher selten. Das meiste läuft über persönliche Kontakte von Leuten, die dem Sport verbunden sind. Dass jemand kommt, der aus Interesse einfach mal Wasserball sehen möchte, das ist eher selten.

Dann könnte das doch ein Saisonziel sein: Mehr Leute mit Wasserball und dem DSC im Berührung bringen.

Iking: Ja klar, aber ich kann im Vorfeld nicht abschätzen, inwieweit das möglich ist. Düsseldorf ist zurecht eine Sportstadt, und das hat Vor- und Nachteile: Auf der einen Seite bekommen wir dadurch viele Möglichkeiten und können Unterstützungen abrufen, die in anderen Kommunen nicht da sind. Auf der anderen Seite gibt es wahnsinnig viele Sportarten, die in Düsseldorf miteinander konkurrieren und deren Leistungsspiele häufig am Wochenende stattfinden. Und wenn man die Wahl hat zwischen Fußball, Eishockey, Handball, Basketball und Wasserball, kommt nicht jeder Fan zu uns. Wir müssen also Aufmerksamkeit für unseren Sport erzeugen, vielleicht schaffen wir das ja mit der ersten Liga besser.

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