Tanzhaus NRW : Tanzhaus-Intendantin: „Wir platzen aus allen Nähten“
Düsseldorf. Am Tanzhaus NRW gibt es gute Nachrichten, man erhielt etwa jüngst den Preis der Heinrich-Böll-Stiftung. Im Gespräch verrät Bettina Masuch aber, dass es auch ungelöste Probleme – vor allem am Gebäude – gibt.
Am Tanzhaus NRW gibt es Positives zu vermelden, so erhielt man etwa einen Preis für die offene Ausrichtung des Hauses. Trotz der hohen künstlerischen Qualität und florierender Kurse gibt es aber auch noch Baustellen, ganz wörtlich. Wir sprachen mit der Intendantin und künstlerischen Leiterin des Tanzhauses Bettina Masuch über gute Nachrichten und Sorgen, auch über den Wunsch nach einer Erweiterung des Hauses an der Erkrather Straße.
Das Tanzhaus NRW hat den diesjährigen Preis der Heinrich-Böll-Stiftung NRW unter anderem für sein zivilgesellschaftliches Engagement erhalten. Ist das ein Ansporn, in diese Richtung weiter zu machen?
Bettina Masuch: Es ist eine wichtige Anerkennung und Ermutigung für uns, den Weg, den wir mit unserer Arbeit beschreiten, weiter zu verfolgen. Wir verstehen uns als ein inklusives Haus. Wir vereinen die Praxis des Tanzes – das selber Tanzen – mit dem Tanz schauen, vereinen Hochkultur, Subkultur und Soziokultur und bringen Menschen verschiedener Nationalitäten, Herkunft und Professionen zusammen. Die große Herausforderung ist, dass diese Zugänge zum Tanz eben nicht in separierten Institutionen stattfinden, sondern unter dem Dach einer einzigen Institution. Tanz an sich ist eine internationale Kunstform, daher ist es Praxis, dass unterschiedlichste Menschen in einer Produktion zusammenarbeiten. Wir sind in Nordrhein-Westfalen im Tanztheater-Land und Pina Bausch war eine der ersten Choreografinnen, die die Heterogenität ihrer Ensemblemitglieder zu einem Stilmerkmal gemacht hat. Etwa, indem sie ihre Tänzerinnen und Tänzer ihre jeweilige Muttersprache auf der Bühne hat sprechen lassen und damit deutlich gemacht hat, dass sie nicht ein homogenes abstraktes Ganzes sind, sondern Individuen, die für die Dauer eine Aufführung zusammen finden.
Dies hat gewiss auch viel mit der Genese Ihres Hauses zu tun.
Masuch: Heterogenität ist unsere DNA. Wir haben etwa das große Glück, dass wir mit unterschiedlichen Generationen zusammenarbeiten. Da sind zum Beispiel Dozentinnen und Dozenten der ersten Stunde, weiterhin Mitglieder unseres Trägervereins, die uns seit der Gründung begleiten. In den Gesprächen mit diesen Menschen spüre ich immer wieder, dass diese Diversität in der Gründungsphase eine große Aufbruchsstimmung ausgelöst hat. Leider sind wir im Moment gesellschaftlich an einem anderen Punkt. Diversität löst heutzutage nicht mehr bei allen Menschen etwas Positives aus, sondern ist zu einem Wert geworden, den man verteidigen muss. Wir wollen deshalb auch vorleben, dass es möglich ist, unterschiedlichste Menschen und Kulturauffassungen zu beheimaten. Das ist unsere Ethik. Wir sind ein offenes Haus. Die Herausforderung liegt darin, in diese Richtung stetig weiter zu gehen und – natürlich, das Haus auch als Institution auf stabile Beine zu stellen.
Wie könnte dies gewährleistet werden?
Masuch: Uns gibt es an der Erkrather Straße seit mehr als 20 Jahren und wir werden durch Stadt und Land kontinuierlich unterstützt. Insofern ist unsere Basis solide. Aber diese Basis ist eine andere als bei Schauspiel oder Opernhaus, da wir im Gegensatz zu diesen Häusern von Jahr zu Jahr neu Subventionen beantragen müssen, um unseren Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Eine langfristige Planung ist in dieser Struktur nur schwer möglich. Das merken wir insbesondere, wenn wir mit großen Kompanien zusammenarbeiten, deren Planungsvorlauf etwa viel länger ist. Da stoßen wir an Grenzen.