Gisela Walsken: Städte müssen Prioritäten setzen

Die neue Regierungspräsidentin Gisela Walsken ist seit 100 Tagen im Amt. Mit dem BV sprach sie über ihre Ziele.

Frau Walsken, Sie waren schon viel in Ihren Regierungsbezirk unterwegs. Wie sind Ihre Eindrücke?

GiselaWalsken: Die Eindrücke sind sehr positiv - es ist ein ungemein spannender Regierungsbezirk mit vielen Facetten. Eine Vielfalt, die vom ländlich strukturierten Raum im Oberbergischen oder in der Eifel bis zum großstädtischen Verdichtungsraum Köln-Bonn reicht, der sich enorm entwickelt hat und noch weiter boomt.

Walsken: Wir haben drei primäre Ziele. Das erste ist, die Bezirksregierung möglichst bürgernah und transparent zu machen. Ich habe in den ersten 100 Tagen hier im Amt festgestellt, dass viele Menschen gar nicht wissen, was eine Bezirksregierung ist, und was für Aufgaben sie hat. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Kommunalfinanzen. Die Lage in den Kommunen ist teilweise durchaus prekär. Da muss etwas getan werden. Ein weiterer Punkt ist die Schulpolitik. Da ist aufgrund der demografischen Entwicklung im Moment sehr viel in Bewegung. Es gibt erste Tendenzen, Gemeinde- und Stadtgrenzen zu überwinden und gemeinsam nach regionalen Lösungen zu suchen. Ich möchte die Kommunen dabei beraten und unterstützen.

Walsken: Das sind Dinge die vorrangig den Kölner Rat und die Verwaltung beschäftigen müssen, auch wenn wir hier unseren Sitz haben. Meine Wahrnehmung ist aber, je weiter man aus der Stadt weg ist, umso besser ist ihr Image. Der Großraum Köln wird als positiver Magnet wahrgenommen. Er hat eine große Anziehungskraft, die man nutzen muss.

Walsken: Das ist für mich ein Prinzip, das nicht nur für Köln gilt. Wir werden auch weiterhin als Kontrollinstanz genau hinschauen, welche Ausgaben sinnvoll sind. Aber wir wollen trotzdem das möglich machen, was im Rahmen der Gesetze machbar ist. Deshalb versuchen wir mit der Unterstützung des Innenministeriums, bei der engen Abgrenzung von freiwilligen Leistungen und Pflichtaufgaben größere Handlungsspielräume zu gewinnen. Zurzeit wird die Gemeindeordnung geändert. Der Leitfaden für Gemeinden mit einer Haushaltssicherung wird gelockert. Es gibt Erleichterungen im täglichen Miteinander. Keine Stadt darf tot gespart werden. Ich habe in diesen Tagen den Doppelhaushalt der Stadt Köln genehmigt und ihr eine Frist von zehn Jahren eingeräumt, um den Haushalt zu konsolidieren. Wichtig ist und bleibt aber auch, dass die Stadt ihren finanzpolitischen Kurswechsel und die Sparbemühungen fortsetzt. Das bedeutet auch: Prioritäten zu setzen.

Walsken: Ich bin zuversichtlich, dass sich das positiv entwickelt, weil bundesweit die Rolle der Kommunen gestärkt ist. Dass wir da etwas tun müssen, dürfte inzwischen auch in Berlin bei der Bundeskanzlerin angekommen sein. Wir müssen es schaffen, dass all die Aufgaben, die der Bund den Kommunen übertragen hat, wie die Wohnunterbringung von Hartz-IV-Empfängern oder die Grundsicherung, nun endlich mit Geld ausgestattet werden - und das nicht nur mit Landes- sondern auch mit Bundesmitteln. Es war signalisiert worden, man könne sich zunächst einmal auf die Hälfte der Kosten einigen, was schon ein guter Schritt wäre.

Walsken: Langfristig müssen wir die Struktur der Gemeindefinanzierung ändern. Dazu brauchen wir neue Einnahmequellen. Das betrifft die Änderung der Gewerbesteuer genauso wie völlig neue Steuern für die Gemeinden, etwa die Börsenumsatzsteuer.

Walsken: Die Gemeinden müssen wie gesetzlich vorgeschrieben die Daseinsfürsorge garantieren. Da hat sich aufgrund der Einsparzwänge viel Negatives entwickelt. Jetzt punktgenau zu investieren, kann aber in der Zukunft viele Kosten ersparen, unabhängig davon, ob es sich um freiwillige oder Pflichtaufgaben handelt. Das gilt unter anderem für die Familienpolitik. Wenn ich frühzeitig dafür sorge, dass es Kindergartenplätze schon für unter Dreijährige gibt, erspare ich mir später, dass ich die Kinder mit Zwölf oder Dreizehn wegen Problemen aus den Familien raus nehmen muss, was große Kosten verursacht. Deshalb ist mir der präventive Charakter von Ausgaben wichtiger, als die Frage, ob diese freiwillig oder Pflicht sind.

Walsken: Ich habe da ein klare Linie: Wenn sich vor Ort Gemeinden durchringen, solche Projekte prioritär zu finanzieren, dann ist es nicht unsere Aufgabe, zu sagen, das dürft ihr nicht. Wenn sowohl die erforderlichen Genehmigungsverfahren für solche Projekte als auch die Finanzierung gesichert sind, werden wir nicht als Verhinderer auftreten. Im Gegenteil: Wenn solche Projekte geeignet sind Kommune und Region voranzubringen, dann suche ich gemeinsam mit den Kommunen auch nach geeigneten Fördermöglichkeiten. Die Kommunen müssen aber zunächst selbst überprüfen, was sie möchten und was möglich ist und was nicht. Ich lasse mir nicht den schwarzen Peter zuschieben, wenn man sich vor Ort nicht für Prioritäten entscheiden kann.

Walsken: Das ergibt sich ganz klar aus dem Koalitionsvertrag. Eine Antwort auf die demografische Entwicklung ist die Gemeinschaftsschule, wo länger gemeinsam im Klassenverband unterrichtet wird. Antworten suchen wir auch für die Zukunft der Hauptschule, der die Eltern zunehmend skeptisch gegenüber stehen. Außerdem geht es um die Frage, ob die Zahl der Gesamtschulen weiter erhöht wird. Wenn der Wunsch der Eltern da ist, wird das geschehen und zwar in der Form der Ganztagsschule.

Walsken: Meine Beziehung zu Köln ist lang und alt. Mein Vater ist gebürtiger Kölner und meine Großeltern haben bis zu ihrem Tod hier gelebt. Ich habe nach wie vor Verwandtschaft in der Stadt und war ein Leben lang regelmäßig in Köln zu Besuch. Die Stadt ist mir absolut nicht fremd. Ich habe in Köln keine Residenzpflicht und habe mich wegen meines 14-jährigen Sohnes dazu entschlossen, in Duisburg zu bleiben. Der hat gesagt, Mama, du kannst Präsidentin werden, aber ich möchte an meiner Schule und in meinem Sportverein bleiben. Ich möchte jemand in dem Alter nicht aus seinem ganzen Lebensumfeld reißen und bin ja, wie ich täglich auf der Straße erfahre, nicht die einzige, die sich für das Pendeln entschieden hat.

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