Meinung Arbeitsmarkt: Weiches Polster für schwere Zeiten

Meinung · Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist für Deutschland ein Glücksfall: Die Zahl der Arbeitslosen im Februar ist historisch niedrig, gleichzeitig sind 784.000 offene Stellen bei der Bundesagentur (BA) gemeldet.

 Annette Ludwig, stellvertretende Chefredakteurin.

Annette Ludwig, stellvertretende Chefredakteurin.

Foto: Sergej Lepke

Selbst BA-Chef Detlef Scheele hat keine wirkliche Erklärung, warum es so gut läuft. „Da kommt relativ viel zusammen“, sagt er vage. Die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften und das knappe Angebot haben einen weiteren Effekt: Die Löhne steigen. Die meisten Arbeitnehmer in Deutschland haben laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr Gehaltserhöhungen oberhalb der Inflationsrate erhalten. Die Kaufkraft steigt und angesichts niedriger Zinsen boomt der private Konsum. Damit kann der schwächelnde Export kompensiert werden.

Handelskriege, Konjunkturabschwächung, Brexit-Angst – all das lässt den deutschen Arbeitsmarkt daher noch kalt. Der Arbeitsmarkt reagiert zudem in der Regel träge. Konjunkturelle Abkühlung wirkt erst mit zeitlicher Verzögerung. Insofern kann auch in einer Abschwungphase die Lage am Arbeitsmarkt zunächst noch richtig gut sein. Doch auch das Polster, das Deutschland für schwierige Zeiten hat, ist weich: Die Zahl der offenen Stellen ist auf ein neues Februar-Hoch geklettert. Das Polster ist so weich, dass die Arbeitgeber sogar Alarm schlagen: Der Fachkräftemangel – und nicht die weltweiten Krisen und Konflikte – entwickele sich zu einer Wachstumsbremse für die deutsche Wirtschaft.

In manchen Regionen in Deutschland herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Es gibt Branchen, da ist der Markt für Fachkräfte leer gefegt. Es könnten viel mehr Häuser gebaut, viel mehr Brücken saniert und viel mehr Menschen besser gepflegt, Schüler intensiver unterrichtet werden. Das Geld ist da, die Menschen, die dies tun könnten, indes nicht. Inzwischen hat auch die Bundesregierung erkannt, dass Deutschland angesichts der demografischen Entwicklung auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen ist. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die große Koalition jüngst verabschiedet hat, ist ein Paradigmenwechsel in der deutschen Politik und ein wichtiger Schritt.

Allein dies wird aber nicht reichen. In Zeiten der Digitalisierung wird es mehr denn je auf die Qualität der Arbeitskräfte ankommen. Das ist bisher auch immer ein Pfund gewesen, mit dem Deutschland wuchern konnte. Damit wir hierzulande nicht ins Hintertreffen geraten, sind aber mehr Anstrengungen notwendig. Bildung und Weiterbildung sind die entscheidenden Schlüssel. Investitionen in Schulen, aber auch in Technik wie flächendeckendes schnelles Internet sind notwendig. Die Politik hat es in der Hand, die richtigen Weichen zu stellen.

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