Meinung Staat vs. Menschenverstand

Meinung · Die Forderung nach mehr staatlichen Vorgaben folgt immer auf die Unfallstatistik. Aber die helfen nur bedingt.

 Juliane Kinast.

Juliane Kinast.

Foto: Judith Michaelis

Die Unfallstatistik liegt vor – und wie in jedem Jahr lautet die Frage: und nu? Die Konfrontation mit Zahlen von Verletzten und Toten löst in Menschen – vor allem Journalisten – den verständlichen Impuls aus, politische Folgen einzufordern. Um die allerdings lavierte sich Innenminister Herbert Reul während der Pressekonferenz zum Unfallbericht geschickt herum. Helmpflicht? Generelles Tempolimit? Verbot von Handys in Fahrgastzellen? Oder eine Freigabe von Gehwegen für E-Scooter? Definitive Zu- oder Absagen gab es nicht.

Natürlich muss mehr in die sichere Infrastruktur für Zweiradfahrer investiert werden – schon um den Umstieg und den Beitrag zum Klimaschutz reizvoll zu machen. Dazu braucht es Geld und Mut, den Autofahrern Platz im Straßenraum zu klauen. Generell ist in NRW noch viel Luft nach oben.

Allerdings hat die oberste Fürsorgepflicht für den Verkehrsteilnehmer nicht der Staat, sondern der Verkehrsteilnehmer selbst. Dass es unter den schweren Unfällen mit Pedelecs und E-Bikes laut Ministerium einen erklecklichen Anteil von Alleinunfällen gibt, deutet darauf hin, dass sich die Menschen nicht ausreichend mit den Fahreigenschaften vertraut machen oder schneller fahren als geboten. Ja, der Staat könnte dafür einen E-Bike-Führerschein einführen – der gesunde Menschenverstand des Einzelnen könnte staatliche Vorgaben aber auch überflüssig machen.

Der Innenminister nannte ein prägnantes Beispiel: Bei Paderborn wollte im vergangenen Jahr ein Autofahrer auf einer Landstraße links abbiegen. Er blinkte, doch der Fahrer hinter ihm schaute auf das Handy statt auf die Straße. Im letzten Moment riss er das Lenkrad herum – allerdings landete er im Gegenverkehr und tötete einen Motorradfahrer. Die Handynutzung am Steuer ist bereits verboten und wird kontrolliert. Doch gegen so viel individuelle Fehlleistung ist die Politik machtlos und wird es bleiben.

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