Der Aufstieg von Robin Gosens Vom Niederrhein in die Champions League

Bergamo. · In Deutschland fast unbemerkt hat sich Fußballer Robin Gosens bei Atalanta Bergamo enorm entwickelt. Mit 26 wurde der linke Außenbahn-Spieler jetzt erstmals für die deutsche A-Nationalmannschaft nominiert und soll auch von Bundesligisten umworben sein.

Robin Gosens im Trikot von Atalanta Bergamo. Von der linken Außenbahn aus entwickelt er viel Torgefahr, traf in der Seria A 2019/20 schon neun Mal. 

Robin Gosens im Trikot von Atalanta Bergamo. Von der linken Außenbahn aus entwickelt er viel Torgefahr, traf in der Seria A 2019/20 schon neun Mal. 

Foto: dpa/Jonathan Moscrop

Atalanta Bergamo rockt die italienische Serie A und mischt auch die Champions League auf. Wenn die europäische Königsklasse ihren Wettbewerb am 7. August fortsetzt, dann möchte der „Underdog“ aus der Lombardei im Viertelfinale auch dem Geld-Adel des FC Paris St. Germain die Stirn bieten. Mittendrin ein Deutscher vom Niederrhein. „Wir sind ein wenig wie im vergangenen Jahr Ajax Amsterdam. Wenn es erst einmal einen Lauf nimmt, dann kann es richtig weit gehen. Wir haben ja überhaupt keinen Druck, müssen keinem etwas beweisen und können so jedes Spiel einfach genießen“, sagt Robin Gosens.

Robin wer? Noch bis in den vergangenen Herbst hinein war der 26 Jahre alte, in Emmerich geborene Sohn einer Deutschen und eines Niederländers nur Experten ein Begriff. Das zeigt nicht zuletzt die Anekdote, welche Gosens als den bislang schönsten Moment seiner Karriere empfindet. Nach dem Champions-League-Gruppenspiel bei Manchester City schritt Deutschlands Nationalspieler Ilkay Gündogan auf den linken Außenbahnspieler Atalantas zu. „Er kannte mich nicht. Er hat gefragt, warum ich deutsch sprechen könne. Dann sagte er, dass er sich sehr freuen würde, wenn ich ihm mein Trikot geben würde. Ich war total beeindruckt.“

Mit sechs begann Robin Gosens bei Fortuna Elten das Fußballspielen. Als D-Junior wechselte er zum 1. FC Bocholt und in der C-Jugend dann 2009 zum VfL Rhede. Mit 18 hatte ihn Borussia Dortmund zu einem Probetraining eingeladen, welches er jedoch vermasselte. Wieder zurück in Rhede aber fiel er bei einem Spiel der Oberliga Niederrhein einem Scout von Vitesse Arnheim auf. Als A-Jugendlicher ging Gosens so 2012 rund 40 Kilometer von seiner Heimatstadt entfernt zur U19 des niederländischen Erstligisten. Chefcoach bei Vitesse war seinerzeit Peter Bosz.

Peter Bosz war
sein Förderer

Der heutige Trainer von Bayer 04 Leverkusen nahm Gosens im Januar 2013 mit ins Winter-Trainingslager der ersten Mannschaft nach Abu Dhabi mit und schulte ihn dort vom Mittelfeldspieler zu einem Linksverteidiger um. Das war der Startschuss zu einer in Deutschland völlig unbeobachtet gebliebenen Erfolgsgeschichte. Nach Stationen bei Dordrecht sowie Almelo wechselte Gosens im Sommer 2017 für eine Ablösesumme von 900 000 Euro zu Atalanta Bergamo. Bei den Blau-Schwarzen wurde er auch dank Trainer Gian-Piero Gasperini (62) von Jahr zu Jahr immer wertvoller.

In seiner ersten Saison auf dem Apennin kam der Deutsch-Niederländer in 21 Spielen auf einen Treffer sowie eine Tor-Vorlage, 2018/19 waren es dann in 28 Partien bereits drei Tore und zwei Vorlagen. In der noch eine Runde laufenden aktuellen Saison nun setzte Gosens zum Höhenflug an. In 32 Spielen gelangen ihm neun Treffer sowie acht Tor-Vorlagen. Zum einen kam ihm die Umstellung auf ein 3-5-2-System zugute, in dem er auf der linken Außenbahn in vorgezogener Position deutlich offensiver agiert - zum anderen hat sich der 26-Jährige mit gezieltem individuellen Training auf ein höheres Niveau begeben.

„Ich habe unheimlich viel an mir gearbeitet. So habe ich mich mit unseren Trainern vor allem auf das Angriffsdrittel konzentriert, um dort die richtigen Entscheidungen zu treffen. Darüberhinaus konnte ich meinen schwächeren Fuß verbessern, jetzt traue ich mich auch mal mit rechts eine Flanke zu schlagen. Das bringt mich sehr viel öfter in für unsere Gegner gefährliche Situationen“, erklärte Gosens in einem Interview mit dem „kicker“.

Da hatte er mit Atalanta im Achtelfinale der Champions League gerade erst den FC Valencia mit 4:1 und 4:3 aus dem Wettbewerb geballert. Unmittelbar nach dem Rückspiel legte Covid19 den Fußball sowie das ganze Leben in Italien lahm. Bergamo ist die von der Pandemie am heftigsten betroffene Stadt des Landes „Durch alle Medien wurde suggeriert, dass man im schlimmsten Ort Europas lebt. Das alles war extrem erschütternd“, berichtete Gosens gegenüber sportschau.de.

Von Löw erstmals fürs Nationalteam nominiert

Mit dem Fußball konnte den Menschen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert werden. Zum zweiten Mal in Folge hat sich Atalanta für die Champions League qualifiziert und auch Gosens’ Leistungen sind registriert worden. Bundestrainer Joachim Löw hat den Emmericher für die beiden Länderspiele im September nominiert. Lothar Matthäus hatte dessen Berufung schon vor der Corona-Pause empfohlen.

Marktwert 30 Millionen – für „Lielingsclub Schalke“ zu teuer

Ob Psychologie-Student Gosens im September noch für Atalanta spielt, ist offen. Atalantas Spieler sind inzwischen begehrt. In Italien haben Juventus Turin und Inter Mailand Interesse an Gosens – in der Bundesliga sollen sich Dortmund, Leipzig und die Hertha mit ihm beschäftigen. Gosens großer Traum ist die Bundesliga, da besonders sein Lieblingsverein Schalke 04. „Bundesliga und Schalke wäre meine Traumkombination. Ob diese jedoch Realität wird, weiß ich nicht“, sagt er. Bei Schalkes Kasse eher nicht kurzfristig, gerade erst hat Atalanta für einen Wechsel 30 Millionen Euro aufgerufen. Eine Summe, die Gosens dann doch schockiert. „30 Millionen? Mein lieber Scholli – ich tue mich schwer, das zu begreifen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort