Fußball-Bundesliga Was der Abstieg für die Fortuna bedeutet

Düsseldorf · Nach dem 0:3 in Berlin verabschiedet sich die Fortuna zum sechsten Mal aus der Bundesliga. Personell und wirtschaftlich tut das weh. Es muss eine Grundsatzentscheidung her.

 Nach dem Apfiff am Samstag in Berlin: enttäuschte Fortunen am Boden.

Nach dem Apfiff am Samstag in Berlin: enttäuschte Fortunen am Boden.

Foto: Matthias Koch / HORSTMUELLER GMB/Matthias Koch

Janine Hennings hat die Gefühlswelt ihres Mannes am Samstagabend per Instagram öffentlich gemacht. „Und dann kommt ein gestandener und starker Mann nach Hause, nimmt seine Kinder in den Arm und weint“, schrieb sie über ihren Mann Rouwen. Allein war der Fortuna-Stürmer mit seiner Trauer nicht. Schon am Nachmittag in Berlin flossen bei den Düsseldorfern die Tränen. Das 0:3 bei Union und der Abstieg aus der Fußball-Bundesliga hatten sie alle mitgenommen. Ein „richtiger Tiefschlag“ sei das, sagte Sportvorstand Uwe Klein. Trainer Uwe Rösler fühlte eine „unheimliche Leere“, sie alle bräuchten nun ein paar „Tage Abstand“.

Zumindest am heutigen Montag wird es den noch nicht geben. Da setzen sich alle Beteiligten ein letztes Mal zusammen, um noch mal über den vermeidbaren Abstieg zu sprechen. Danach war es das für den Fortuna-Kader dieser sonderbaren Bundesliga-Saison 2019/20, er wird sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuen – und so nie wieder zusammenkommen.

Mindestens ein halber neuer Kader muss her

Klein und Rösler werden ihre Blicke schnellstmöglich nach vorne richten. Denn es muss mindestens ein halber neuer Kader her, vermutlich sogar mehr. Gleich 16 Verträge laufen aus, auch Spieler mit gültigen Papieren könnten gehen. Stützen wie Kaan Ayhan, Matthias Zimmermann, Kevin Stöger, Erik Thommy, Kenan Karaman, Spieler im besten Alter Mitte bis Ende Zwanzig, dürften schwer oder kaum zu halten sein. So ist die große Chance dahin, eine Mannschaft über Jahre aufzubauen.

Nun gehen natürlich nicht alle. Florian Kastenmeier, Andre Hoffmann, Marcel Sobottka, Rouwen Hennings oder auch der bislang so enttäuschende Dawid Kownacki könnten in der nächsten Saison das Gerüst bilden. Ob das aber gleich für den Wiederaufstieg reicht? Zumal die zweite Liga einige Teams kennt, die nicht viel weniger oder gar mehr an Budget zur Verfügung haben: Der Hamburger SV und Hannover 96, aber auch Mitabsteiger SC Paderborn, der VfL Bochum, der 1. FC Nürnberg oder der FC St. Pauli sind finanziell nicht weit weg. Und wenn es in der Relegation ganz bitter für die Fortuna läuft, steigt auch noch Werder Bremen ab, das dann automatisch Topfavorit auf den Aufstieg wäre.

Selbst Freiburg, Mainz oder Augsburg sind wirtschaftlich enteilt

Natürlich ist es viel zu früh, über mögliche Chancen zu spekulieren. Aber Stand heute erscheint ein direkter Wiederaufstieg mindestens so wahrscheinlich wie erneut mehrere Jahre in der zweiten Liga. Nach dem Abstieg 2013 – übrigens ähnlich vermeidbar wie der jetzige – waren es fünf. Die und die vielen Jahre in der dritten oder gar vierten Liga zu Beginn des Jahrtausends taten wirtschaftlich richtig weh.

Denn auch wenn viele die Fortuna wegen ihrer bewegten Historie, ihrer vielen Fans, der Wirtschaftskraft der Stadt und ihrer riesigen Arena für einen großen Klub halten, ist sie das finanziell keineswegs. Weil sie genau in den Jahren, in denen die TV-Verträge der Bundesliga immer dicker wurden, in unteren Ligen zu Hause war. Selbst Klubs wie Freiburg, Mainz oder Augsburg sind deswegen enteilt, können zweistellige Millionenbeträge mehr in ihre Kader investieren.

So ist der Abstieg keine Schande, aber umso bitterer. Denn zumindest in den Kreis dieser Teams will die Fortuna mittelfristig wieder. Und die Chancen hätten bei einem erneuten Klassenerhalt nicht schlecht gestanden. Hätte die Fortuna zum ersten Mal seit Anfang der 1990er-Jahre drei Bundesliga-Jahre am Stück erlebt, sie hätte nicht nur diverse Leistungsträger halten können, mit der Hand im TV-Geld-Topf hätte sie finanziell auch den Grundstein dafür legen können, endlich wieder ein etablierter Bundesligist zu werden.

Ruhig aufbauen oder in den Wiederaufstieg investieren?

Hätte, wäre, wenn — die Realität sieht anders aus. Die Fortuna muss nun wieder von vorne anfangen. Personell und wirtschaftlich. Natürlich nicht ganz bei Null, sie ist schuldenfrei und laut Aufsichtsratschef Björn Borgerding gut durch die Corona-Krise gekommen. Aber der Verlust durch den Abstieg ist dennoch erheblich: Ein zweistelliger Millionenbetrag weniger TV-Geld, trotz 12 000 verlängerter Dauerkarten werden deutlich weniger Fans zu den Spielen kommen, auch Sponsoren geben in der zweiten Liga weniger — und sind schwieriger zu bekommen. Erst recht in Corona-Zeiten. Erst recht für die Fortuna, der selbst in der eigenen Stadt nach wie vor Skepsis begegnet, und die sich nach dem Ende der Zusammenarbeit mit der Agentur Infront künftig selbst vermarktet.

Deswegen muss nun eine Grundsatzentscheidung her: Baut die Fortuna in Ruhe neu auf und riskiert dadurch diverse Jahre in der zweiten Liga, während sich selbst das untere Mittelfeld der Bundesliga finanziell weiter entfernt? Oder geht sie in die Vollen, versucht, sofort wieder aufzusteigen, um die Lücke schnell zu schließen? Positive Beispiele gibt es: Frankfurt, Stuttgart, Köln. Doch was, wenn es trotzdem nicht klappt? Wenn sie sich daran verhebt und danach auf einem Berg an Schulden sitzt? Auch dafür gibt es Beispiele, den HSV etwa. Oder schlimmer: 1860 München oder Kaiserslautern. Ruhe? Vollgas? Ein Mittelweg? Diese Fragen suchen jetzt Antworten.

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