Scotts Wandlung - Teil 2 : Die Tochter ist transsexuell - so geht die Mutter damit um
Willich Eva Pantelidis hat erst alle Hinweise auf die Transsexualität ihrer Tochter nicht wahrhaben wollen.
Der Moment, der Eva Pantelidis die Augen dafür öffnete, dass ihre Tochter Sherina lieber ein Junge sein will und sich auch als solcher fühlt, endete mit einem Polizeibesuch. Nachbarn hatten die herausgebrüllten Sätze zwischen Mutter und Tochter als Anzeichen häuslicher Gewalt interpretiert.
„Plötzlich standen drei Polizisten vor der Tür, zwei Frauen und ein Mann“, erinnert sich die 57-Jährige an die Szene vor zweieinhalb Jahren. Die beiden Beamtinnen verschwanden für zehn Minuten mit der Tochter in deren Zimmer, dann kamen sie mit der Einschätzung „Hier ist alles in Ordnung“ wieder heraus, flüsterten ihrem Kollegen etwas ins Ohr, worauf dieser sich mit dem Satz verabschiedete: „Ich wünsche Ihnen jetzt viel Stärke.“
Eine Stärke, die dem Leben abgetrotzt ist
An Stärke mangelt es Eva Pantelidis nicht, aber es ist eine dem Leben abgetrotzte Stärke, einem Leben, dem abzulesen ist, dass Schicksalsschläge nun mal nicht gerecht verteilt sind. Wenn sie von sich erzählt, geht es um sexuellen Missbrauch und mehrfach erlittene Vergewaltigungen als Kind. Es geht um die Diagnose Multiple Sklerose ein Jahr nach der Geburt ihres vierten Kindes. Da war sie 40 Jahre alt und saß danach erst einmal ein halbes Jahr lang im Rollstuhl. Und es geht um ein Berufsleben, in dem es vor Brüchen und Überlebenskämpfen nur so wimmelt.
Entweder man zerbricht an solchen Erfahrungen oder man entwickelt eine Art immunisierender Härte, um trotz all der Wunden weiter lebenstauglich zu bleiben. Als Eva Pantelidis im Herbst 2018 miterlebt, wie ihre Tochter, die sich mittlerweile längst Scott nennt, in ein emotionales Loch fällt, weil die Entscheidung der Krankenkasse und des Medizinischen Dienstes zur Kostenübernahme für die erste Operation auf sich warten lässt, baut die Inhaberin einer Transportfirma mit Fristen und Drohungen mächtig Druck auf, um die Geschlechtsumwandlung endlich voranzubringen.
Dass sie inzwischen wie eine Löwin dafür kämpft, dass ihr jüngstes Kind seinen eingeschlagenen Weg weitergehen kann, war nicht immer so. „Ich habe mehr als ein Jahr gebraucht, das zu akzeptieren.“ Ein Jahr, in dem in fast jeder Nacht Tränen flossen, in dem sie sich die Schuld für die Transsexualität ihrer Tochter gab. Ein Jahr, in dem ihr inzwischen katholischer Glaube auf eine harte Probe gestellt wurde: „Ich habe ein Mädchen geboren. Dass es sich nur in einem anderen Körper wohlfühlen könnte, gab es für mich nicht.“