Handball Becker: „Spieler verlangen mehr von den Trainern“

Langenfeld · Interview Markus Becker, Trainer des Handball-Regionalligisten SG Langenfeld spricht über die sportliche Entwicklung in der Region, Geld, Vereine, Spieler- und Sponsorenakquise.

 Markus Becker blickt als Trainer des Regionalligisten SG Langenfeld häufig über den Tellerrand.

Markus Becker blickt als Trainer des Regionalligisten SG Langenfeld häufig über den Tellerrand.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

. Als Rechtsaußen war Markus Becker lange im rheinischen Handballgebiet unterwegs, spielte für den MTV Köln und den Longericher SC. Seit eineinhalb Jahren ist er Cheftrainer der SG Langenfeld – und hört im Sommer wieder beim Nordrhein-Ligisten auf. Im Interview spricht der 36-Jährige über seine Beweggründe und darüber, was ihn an der Entwicklung des Handballs stört.

Was hat sich in den vergangenen Jahren im Amateurhandball verändert?

Markus Becker: Wenn wir über die Spielerakquise sprechen, ist das die Kommunikation. Da sind die Leute überhaupt nicht mehr entscheidungsfreudig. Früher hieß es: Möchtest du wechseln, ja oder nein? Dann hat der Spieler gesagt: Ich habe noch drei andere Angebote, danach telefonieren wir und ich sage dir, wo ich hingehe. Heute müssen die Spieler eine Woche darüber nachdenken, fragen ihre Eltern und hoffen, dass ein besseres Angebot um die Ecke kommt. Vor ein paar Jahren warst du im Dezember mit deiner Kaderplanung durch, mittlerweile zieht sich das bis April oder sogar Anfang Mai.

Und spielerisch?

Becker: Zu meiner Zeit war es total ungewöhnlich, ins Tempo zu gehen. Da standen große, schwere Leute in einer massiven Deckung, und als Außen warst du ein reiner Eckenverwerter. Tempogegenstöße gab es ganz selten. Jetzt musst du im Training viel Verletzungsprophylaxe betreiben und sogar Turnelemente einbauen. Das Training ist viel komplexer geworden und beschränkt sich nicht mehr nur auf Warmmachspiele und meine drei Spielzüge, die ich durchprügle.

Wie finden Sie
die Entwicklung?

Becker: Der Sport ist dadurch sehenswerter geworden. Der Handball ist schnell, mit vielen Toren und körperbetont – das gefällt dem Zuschauer.

Also ist die Entwicklung
positiv?

Becker: Die Spieler sind besser ausgebildet, oftmals auf ­A-Jugend-Bundesliga-Niveau. Da wird nach dem DHB-Rahmenplan trainiert, der mehr die Persönlichkeit und individuellen Stärken betrachtet. Hätte man sowas einem Trainer vor zehn Jahren erzählt, hätte der einen ausgelacht. Das führt jetzt dazu, dass die Spieler mehr von ihrem Trainer verlangen.

Erleben wir eine
Professionalisierung der oberen Amateurligen?

Becker: Die Ausweitung des DHB in diese Bereiche hat einen großen Mehrwert, das muss man sagen. Alles ist besser organisiert, und beispielsweise ist in die Schiedsrichterausbildung investiert worden. Es ist aber so, dass plötzlich 19 Jahre alte A-Jugendliche mit Beratern um die Ecke kommen und Gehälter verlangen, die für kleinere Viertligavereine nicht machbar sind.

Sehen Sie langfristig eine Professionalisierung der Dritten Ligen?

Becker: Da würde der DHB sicher gern hin. Der finanzielle Hintergrund ist bei vielen Teams aber nicht da. Ich glaube eher, dass wir bald eine Zweiklassengesellschaft mit Profivereinen und Amateurklubs bekommen. Die wird der DHB auf Dauer aber nicht professionalisiert bekommen.

Der HC Rhein Vikings ist
in der Dritten Liga daran gescheitert und verursachte nach seiner Pleite eine
große Spielerwanderung.

Becker: Vereine verstärken sich in den unteren Ligen plötzlich mit Drittligaspielern. Das ist natürlich legitim, verändert die Ausgangssituation mancher Teams aber total.

Alte Kräfte wie die Vikings oder auch der Leichlinger TV scheinen sich nicht länger halten zu können, dafür rüsten beispielsweise die Bergischen Panther auf. Stehen wir vor einer Wachablösung in der Handballregion?

Becker: Da darf man auch Longerich nicht vergessen. Und das sage ich nicht, weil ich daherkomme (lacht). Die Panther sind finanziell auf einem guten Stand und holen sich junge Spieler aus der Region, wie zum Beispiel unseren Felix Korbmacher. Longerich hat dagegen sehr viele eigene Jugendspieler im Kader und kann sich so gut über Wasser halten. Das grundsätzliche Problem bleibt, dass die Sponsorenakquise schwieriger wird, die Gehälter aber aufgrund der guten Ausbildung immer weiter steigen. Da klafft der Handball auseinander. Deswegen stehen etablierte Kräfte wie der LTV auf einmal am Ende der Tabelle. Es spielt eben niemand mehr aus Nächstenliebe für seinen Verein, und auch das war früher anders. Da hatten viele Spieler eine enorme Bindung zu ihrem Verein und haben im Zweifel auch mal Einbußen hingenommen. Heute ist das für viele Sportler ein ­Nebenjob.

Empfinden Sie
das als negativ?

Becker: Auf jeden Fall. Bei mir bildete sich der Freundeskreis aus dem Handball und dem Verein. Heutzutage haben die Jungs noch andere Hobbys und sehen Handball als eine von mehreren Aktivitäten. Das halte ich für sehr hinderlich, sind die Vereine aber teilweise selbst schuld. Da wird sich um gute Spieler geschlagen, und dann bleibt den Jungs oft keine Wahl.

Wünschen Sie sich
ein Eingreifen?

Becker: Vielleicht sollte man sich mal zusammensetzen und überlegen, ob die aktuelle Preispolitik ab der vierten Liga abwärts sinnvoll ist. Da würde ich mir Preisbarrieren wünschen. Das wird aber nicht passieren, dessen bin ich mir bewusst.

Nervt Sie diese
Entwicklung?

Becker: Von der Preispolitik nicht, aber von der Sensibilität der Spieler. Man macht nicht mehr nur das Training, sondern ist Berater und manchmal sogar Lebensberater. Das kostet Kraft, weil man sehr vorsichtig mit den Spielern umgehen muss. Das erfordert viel Sozialkompetenz und bindet Zeit abseits des Trainings.

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