Tänzerische Anmut unter Platanen

Im Schönwasserpark verschmilzt bei „move! in town“ ein eher sperriges Stück unter Körpereinsatz bei seiner Uraufführung zu einem Ganzen.

Tänzerische Anmut unter Platanen
Foto: Andreas Bischof

Wenn ein heißer Sommertag zu Ende geht, ist der Platanenhain im Schönwasserpark ein wunderbarer Ort. Dort ist es schattig und kühl und die untergehende Sonne sorgt für magische Lichtspiele unter dem Blätterdach. So verwundert es nicht, dass dieser Ort bereits zum zweiten Mal für ein Tanzstück unter freiem Himmel ausgewählt wurde. Dahinter steht das Format „move! in town“, mit dem das Krefelder Kulturbüro seit 2014 jeden Sommer zeitgenössischen Tanz an außergewöhnlichen Orten in Krefeld realisiert. Eine weitere Besonderheit ist, dass die dafür ausgewählte Choreografie eigens für den jeweiligen Schauplatz konzipiert worden ist.

Diesmal hat die aus Kuba stammende und in Düsseldorf lebende Choreografin Maura Morales ein Stück mit dem Titel „Anmut und Würde“ geschaffen. Rund 300 Zuschauer kommen am Freitag zur Uraufführung des Stückes unter den Platanen, wo mit wenigen Requisiten eine bühnenartige Atmosphäre geschaffen wurde. Die drei Protagonistinnen (Giorgia Conte, Valentina Militano und Laura Colombo), Mitglieder des Balletto di Calabria, sitzen bei einem Picknick unter den Bäumen. Aus der Gruppe lösen sich zwei Frauen und klettern in die Bäume. Je nach Standort sieht der Zuschauer nur einen Arm oder ein Bein, das aus dem Baum heraushängt — ein poetisches Bild.

Ein immer hektischer werdendes weibliches Stimmengewirr ertönt (Livemusik Michio Woirgardt). Die bisher friedliche Stimmung wechselt. Die Frauen versuchen den durch Plastikfolien, die zwischen die Bäume gespannt sind, begrenzten Raum zu verlassen, brechen aus dieser Schutzzone aus. Sie begeben sich in die Öffentlichkeit, was Grundthema des Stückes ist.

Es geht dabei auch um die Frage, wie unterschiedlich sich Frauen und Männer im öffentlichen Raum bewegen. Morales hat dabei nicht nur die Rolle der Frau in ihrer Heimat Kuba im Blick, hat für die Umsetzung bewusst süditalienische Tänzerinnen ausgewählt. Auch der Platanenhain lässt Assoziationen an eine südliche Piazza zu, zumal die Zuschauer, die sich während der Aufführung frei in diesem Raum bewegen und die Tänzerinnen bei ihren Aktionen verfolgen, lebendiger Teil der Handlung werden.

Der Verlauf des Stückes zeigt über weite Strecken, dass es in der Öffentlichkeit für die Frauen mit der Ruhe vorbei ist. Fast ständig sind sie in extremer Bewegung, oft in der Konstellation zwei und eins. Mal sind sie durch ein Tuch aneinandergebunden, dann wieder einzeln und wie Gejagte. Zu den spannendsten Momenten zählt eine Szene, in der zwei Frauen sich umarmen. Dabei ist nicht ganz klar, ob sie gegenseitig Schutz suchen oder sich Halt geben wollen. Die dritte Frau, die zuvor aufgebracht zwischen den Zuschauern umhergelaufen ist und dabei italienische Texte ausgerufen hat, hat plötzlich eine Rolle mit einer durchsichtigen Folie in der Hand. Damit beginnt sie die beiden anderen Frauen komplett zu umwickeln. Diese bilden zwar optisch eine noch stärkere Einheit, sind aber zugleich gefesselt und wie erstarrt. Durch gemeinsame Kraftanstrengung können sie sich wieder befreien.

Die dritte Frau wird ebenfalls mit einer Folie umwickelt, von einem männlichen Tänzer, die sie an einen Baum fesselt. Auch ihr gelingt die Befreiung, allerdings ist der Vorgang wesentlich länger und mühsamer. Diese beklemmenden Szenen, die von einem über weite Strecken aggressiven und für das Ohr anstrengenden Sound begleitet werden, stehen in hartem Kontrast zu dem schönen Ort im Schönwasserpark. Das Stück vermittelt, dass Bewegung im öffentlichen Raum für Frauen Gefahr und Aggression bedeuten kann, gegen die sie sich kämpferisch behaupten müssen.

Doch am Ende finden die Drei wieder zu dem Picknickplatz unter den Bäumen zusammen, zwei klettern wieder auf die Bäume. Die Natur bietet also doch noch Schutzzonen. Ein wie oft beim zeitgenössischen Tanz etwas sperriges Stück, das durch den großartigen körperlichen Einsatz der Tänzerinnen an einem wunderbaren Ort zu einem faszinierenden Ganzen verschmilzt.

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