Integration Flüchtlinge lernen Aufbau-Arbeit

Krefeld · Acht Praktikanten, die aus Syrien stammen, nehmen am Projekt „Kommunales Know-how für Nahost“ teil.

 Samie Morad nennt Krefeld heute seine Heimat. 

Samie Morad nennt Krefeld heute seine Heimat. 

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Lehrer, Psychologe, Rechtsanwalt, Ingenieur, Architektin, Abiturientin – wohl selten dürfen Praktikanten bei der Krefelder Stadtverwaltung eine so hochkarätige Ausbildung haben wie die acht Frauen und Männer, die der Beigeordnete Markus Schön und Integrationsbeauftragte Tagrid Yousef jetzt vorstellten.

Bei den acht Männern und Frauen handelt es sich um Menschen, die vor einigen Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen sind. Seit November nehmen sie an dem einjährigen Projekt „Kommunales Know-how für Nahost“ teil, das vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) angestoßen worden ist. Dessen Ziel ist es, Wissen und Erfahrungen deutscher Kommunen zu vermitteln, die beim Wiederaufbau in Syrien irgendwann gebraucht werden könnten.

Anfangs gab es von beiden Seiten Bedenken gegen das Projekt – aus völlig unterschiedlichen Gründen: Während die Flüchtlinge befürchteten, dass sie mit einer Teilnahme dazu gezwungen werden könnten, nach Syrien zurückzukehren, zweifelten Mitarbeiter der Stadtverwaltung an, sich im notwendigen Maße um die Praktikanten kümmern zu können. Beide Seiten haben mittlerweile aber erkannt, dass ihre Sorgen völlig unnötig sind.

Sprachprobleme sind viel
kleiner als befürchtet

So sind die Sprachprobleme viel kleiner als befürchtet, da alle Praktikanten in nur wenigen Jahren hervorragend Deutsch gelernt haben. Sami Morad (30) zum Beispiel arbeitet sogar als ehrenamtlicher Dolmetscher. Bei der Stadt wird der Rechtsanwalt im Fachbereich 50 (Soziales, Senioren und Wohnen) eingesetzt. „Meine juristischen Kenntnisse helfen mir hier sehr“, berichtet er. System-Unterschiede zu Syrien kann er auch benennen: „Eine gesetzliche Rentenversicherung gibt es dort nur für Beamte.“

Ali Karkar, von Hause aus Lehrer und Buchhalter, ist mit seinem Praktikum im Bereich Stadtmarketing „sehr zufrieden“. In der Weihnachtszeit arbeitete er zum Teil auf dem Weihnachtsmarkt des Marketings, in Kürze wird er zudem an einem internationalen Krefelder Kochbuch mitarbeiten, das in Vorbereitung ist. „Und er bekocht uns regelmäßig“, berichtet Christiane Gabber vom Stadtmarketing.

Der Psychologe Iwan Shak Alshabab (41) entwickelt gerade ein Väter-Projekt für Flüchtlinge. Er stellt verwundert fest, dass es den Schul-Psychologen, der in Syrien längst verpflichtend sei, in Deutschland so nicht gebe. Esam Abdulrazzak hat im syrischen Transport-Ministerium gearbeitet und am Autobahn-Bau mitgewirkt. Auch in Krefeld wird er jetzt im Vermessungs- und Katasterwesen eingesetzt und lernt das Geo-Informationssystem (GIS) kennen, das zum Erstellen von Karten auch in seiner alten Heimat einsetzbar wäre.

Apropos alte Heimat: Bis auf eine Ausnahme sagen alle Praktikanten ganz klar, dass sie in Deutschland bleiben wollen. Eine Voraussetzung für eine Rückkehr wäre ohnehin ein Ende des Krieges und eine Ablösung des Assad-Regimes. „Ich würde sofort verhaftet, wenn ich jetzt zurückkehrte“, berichtet Samie Morad, der den Kriegsdienst verweigert hat.

Abeer Abo-Namah, die im Fachbereich „Migration und Integration“ arbeitet, kann sich nach fünf Jahren in Deutschland überhaupt nicht vorstellen, nach Syrien zurückzugehen. Und auch Iwan Ahakh Alshaba betont, dass er Sohn und Tochter in Deutschland studieren lassen möchte. Als Entwicklungshelfer in Syrien Aufbau-Arbeit zu leisten, können sich dagegen alle gut vorstellen.

Dass die hochqualifizierten Prakikanten aber auch in Krefeld gebraucht werden, betont Markus Schön („das ist eine Riesenchance“) mit Blick auf den Fachkräftemangel. „Eine der größten Baustellen zur Integration“ nennt er das Problem der Anerkennung ausländischer Studien- und Berufsabschlüsse. Die Politik in Bund und Land müsse sich darum unbedingt kümmern, fordert er.

Samie Morad ist schon heute vollständig in Deutschland angekommen. Eine traumatische Flucht, wie er sie durchlebte, möchte er eigenen Kindern unbedingt ersparen. Die Seidenstadt nennt er seine Heimat. Und wie kommt er mit den Menschen hier zurecht? Der 30-Jährige lächelt: „Sie wissen doch: Es gibt gute Menschen, schlechte Menschen und Krefelder.“

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