In Krefeld Wurzeln geschlagen

Doris Schlimnat organisiert seit Januar dieses Jahres die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit. Die ehemalige Leiterin der Villa K spricht über ihre Aufgaben.

In Krefeld Wurzeln geschlagen
Foto: Andreas Bischof

Münster ist ihre Heimatstadt. Geboren ist sie aber in Warendorf, knapp 30 Kilometer entfernt. Eigentlich wollte Doris Schlimnat nur drei, vier Jahre in Krefeld bleiben — daraus sind fast 27 Jahre geworden. Was die neue Flüchtlingskoordinatorin an der Stadt schätzt und welche Aufgaben auf sie zukommen, erzählte sie uns im Interview.

Frau Schlimnat, Sie kommen aus Münster, geboren sind Sie aber in Warendorf. Warum ist Münster trotzdem ihre Heimatstadt?

Doris Schlimnat: Ich bin in Warendorf geboren, weil meine Eltern bei meinen Großeltern sein wollten. Danach habe ich zwei Jahre meiner Kindheit in Bielefeld verbracht, bin aber die längste Zeit in Münster aufgewachsen.

Die Stadt hat sie also geprägt. Sie sind nach der Schulzeit gleich dortgeblieben. Hat es Sie nicht aus dem Elternhaus gezogen?

Schlimnat: Doch, doch. Ich bin mit meinem damaligen Freund zusammengezogen. Das war 1977 noch nicht selbstverständlich. An der Universität Münster konnte ich Diplom-Pädagogik studieren. Mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung.

Der erste Job nach dem Studium war in Finnland. Dort haben Sie am Goethe-Institut Deutsch unterrichtet.

Schlimnat: Zunächst war es überraschend für mich, dass ich diesen Job bekommen hatte. Ich war die einzige Pädagogin, unter lauter Deutschlehrern. Genommen wurde ich unter anderem, weil ich beim Auswahlverfahren gesagt habe, dass ich gern Ski fahre. Meine Vorgängerin hatte sich dort oben sehr einsam gefühlt. Ich bin in die 100 000-Einwohnerstadt Kuopio gekommen. Da war auf den ersten Blick nicht viel außer Skilaufen zu unternehmen. Aber ich hab in den acht Monaten viel gesehen — insgesamt waren wir 16, auf das ganze Land verteilt — wir haben uns immer an den Wochenenden gegenseitig besucht. Silvester habe ich zum Beispiel in Lappland, ganz weit im Norden, verbracht.

Wie haben Sie die kühlen Finnen zum Deutsch sprechen gebracht?

Schlimnat: Das war tatsächlich nicht ganz so einfach. Aber ich hab das irgendwie geschafft, mit ganz viel Konversationsunterricht. Dabei ging es fast nur um das Sprechen. Die Stunden musste ich mir zusammensuchen. An der Volkshochschule habe ich zwei Teilnehmerinnen gehabt, die vorher in Deutschland Au Pair gemacht hatten und ihr Deutsch weiter pflegen wollten. Die haben mich hin und wieder auf Partys mitgenommen.

Nach Finnland haben Sie einen Abstecher ins Emsland gemacht.

Schlimnat: Ich war in Twist — eine kleine Stadt mit damals nur 8000 Einwohnern. Nach drei Jahren wurde ich schwanger und bin in den Mutterschutz gegangen. Nachdem ich mich von meinem damaligen Partner getrennt hatte, bin ich mit meinem Sohn erst nach Telgte, und dann nach Münster gezogen. Dort habe ich meinen Mann kennengelernt. Und ich wusste ziemlich schnell, das ist der Richtige. Nun sind wir 27 Jahre zusammen.

Nun sind fast seit 27 Jahren in Krefeld. Wie kam es dazu

Schlimnat: Dabei wollte ich eigentlich nur drei, vier Jahre bleiben. Ich hatte mit meinem jetzigen Mann ausgemacht, dass wer von uns beiden ein gutes Angebot bekommt, der andere sich in der Stadt eine Stelle sucht. Und ich habe 1991 die Leitung der Villa K übernommen. Das führte mich nach Krefeld.

Doris Schlimnat

Was mögen Sie an Krefeld besonders?

Schlimnat: Dass es eine normale Stadt ist — und weil alles so schön gemischt ist. Münster ist eine Beamten- und Studentenstadt. Ich mag Münster und bin da regelmäßig — aber nur als Besucherin. Krefeld hat sehr vieles zu bieten. Wir sind damals über die Uerdinger Straße in die Stadt gekommen, an sehr schönen Häusern vorbei gefahren. Es hat uns auf Anhieb sehr gut gefallen. Wenn die Kinder größer werden, zieht man auch nicht so schnell weg. Außerdem habe ich spannende Aufgaben angeboten bekommen.

2005 sind Sie ins Jugendamt gewechselt.

Schlimnat: Genau — seit dem 1. Januar bin ich genau 20 Jahre bei der Stadt angestellt. Damals hat Norbert Axnick (Leiter der Abteilung Jugend, Anm. d. Red.) mich in sein Team geholt. Ich war dann sieben Jahre Jugendpflegerin. Dann kam die Chance, in die Erwachsenenbildung zu gehen. An die Volkshochschule, als Fachbereichsleiterin für politische Bildung. Das war mein Traumjob. Da bin ich dann länger geblieben - insgesamt zwölf Jahre.

Nun sind sie seit Januar Flüchtlingskoordinatorin. Es herrscht nicht mehr die große Problematik der Unterbringung.

Schlimnat: Wir verstehen uns als eine Art Servicestelle für Ehrenamtliche im Bereich Migration und Integration. Alle, die ihre Hilfe anbieten wollen, können sich bei uns melden.

Haben sie sich schon eingearbeitet?

Schlimnat: Noch nicht ganz. Ich hole mir überall da Hilfe, wo ich sie benötige. Ganz so wie die Flüchtlingshelfer bei uns. Meine Mitarbeiterin Angelika Poddig ist zum Beispiel in Rechtsfragen super bewandert, das fehlt mir noch. Das dauert seine Zeit.

Welche Aufgaben stehen bei Ihnen zur Zeit an?

Schlimnat: Bei der Verabschiedung von Hansgeorg Rehbein kam ich mit den Sprechern der sieben Koordinierungskreise bereits in Kontakt treten. Ich konnte sie mittlerweile vor Ort besuchen und habe gemerkt, dass sie sich gut verstehen. Ehrenamt funktioniert nur, wenn man sich gut versteht. Sonst würde man nicht freiwillig die freie Zeit in diese Arbeit stecken, wenn das nicht so wäre.

Wie kann man Ihre Arbeit unterstützen?

Schlimnat: Was die Geflüchteten am meisten brauchen, ist einen deutschsprachigen Freund. Jemand, mit dem sie Kontakt halten, mit dem sie ihre Deutschkenntnisse anwenden können. Aber auch einfach die Begegnungsmöglichkeiten bieten, um in der Nachbarschaft ankommen zu können. Damit Integration gelingen kann, braucht es Begegnung und eine Willkommenskultur. Wir brauchen aber auch Mentoren, was den Arbeitsmarkt angeht. Flüchtlinge brauchen Paten für die berufliche Integration. Es gibt viele Beispiele, wie Flüchtlinge durch die Hilfe der Ehrenamtler, Jobs gefunden haben. Das müssen wir systematisieren — momentan läuft das noch eher zufällig.

Das ist eine große Verantwortung.

Schlimnat: Ehrenamtler müssen nicht alles allein machen. Dafür gibt es uns. Damit das tolle Engagement koordiniert wird. Die Arbeit mit Menschen kann auch mit Enttäuschungen einhergehen. Die Flüchtlingskoordination ist auch dazu da, Schulungen und Workshops für Ehrenamtler anzubieten. Wir sind dazu da, die Ehrenamtler zu vernetzen. Und nicht zuletzt diese Arbeit transparent zu machen. Damit die Hauptamtlichen wissen, was es da alles gibt.

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