Schlussapplaus: Timothy Simpson – Im Rausch der Musik

Zum Ende der Spielzeit verlassen viele Ensemble-Mitglieder das Theater. Tenor Timothy Simpson sehnt sich nach Kentucky.

Krefeld. Als er zum ersten Mal im Uni-Chor seiner Heimatstadt singt, wird Timothy Simpson sofort zum Operndirektor geschickt: Gesangsausbildung steht fortan in seinem Studienbuch. Das war in Bowling Green, Kentucky. Simpson beherrschte schon Klavier, Gitarre und Flöte - nun lernte er auch, seine Stimme einzusetzen. "Das hat mir so viel Spaß gemacht", erzählt er heute. Oft fügt er ein leises "You know?" an seine Sätze an.

Mit diesem Zufall begann eine musikalische Karriere, die den Amerikaner auch für einige Zeit ans hiesige Theater führte. Eine Art Sonderfall, denn Simpson hatte fortlaufend Teilzeitverträge mit, wie er im Rückblick sagt, "lauter Traumrollen". Am liebsten mochte er den German in "Pique Dame". Mit dieser Partie steht er noch zweimal auf dem Spielplan - dann ist nach vielen Jahren Schluss am Niederrhein.

Privat schätzt Simpson Wagner sehr, das ist für ihn Musik, in die der Zuhörer versinken kann. "Was soll man sonst tun, als sich fallen zu lassen?", fragt er. "Ohne Rausch ist es doch nichts!" Obschon das Zuhören bei einem Profi wie ihm anders abläuft als bei einem Laien. Gedanken wie "Ach, das macht er so!" und "Diese Stelle hätte ich auf andere Art gesungen" gehen ihm durch den Kopf. Und natürlich Gedanken über Regie in der Oper. Zu viel davon gefällt ihm nämlich gar nicht: "Die Natürlichkeit im Körper muss gewahrt sein", sagt er.

Bei einem Gastspiel in Detmold hat Simpson schon mit Wagner Erfahrungen gesammelt, aber die Krefelder werden ihn nicht als Siegfried hören. "Ich möchte mich nicht festlegen", sagt er, der keinen neuen Vertrag unterschrieben hat. Er überlegt, was er in seine Kisten packt und was er nicht mehr braucht: "Ich ziehe wohl nach Bonn." Dort hat er einen Teil seiner Karriere erlebt, "dort habe ich Freunde". Und ein neues Engagement? "Es steht noch nichts fest", sagt er.

Zuerst allerdings möchte er gern nach Hause. Kentucky lockt: "Ich habe in letzter Zeit ziemlich oft Heimweh. Nach den einfachen Dingen wie dem Duft der Erde und des Grases". Er lebt schon mehr als 20 Jahre in Europa. Und hat immer noch nicht verstanden, warum so viele Leute herzliche Freundlichkeit mit Oberflächlichkeit verwechseln.

Von Kentucky führte ihn sein Weg nach Rochester bei New York - das war Kulturschock, vom Pferdeparadies an die geschäftige Ostküste zu wechseln. Von dort ging es nach Zürich, Bonn, Bremerhaven und Krefeld. Nun steht Simpson an einer Schwelle zum Neuem, Unbekanntem, er ist ein Mann im Umbruch. Geduldig lässt er die Dinge auf sich zukommen: "Ich werde sehen, wohin das alles führt!"

Letzte Auftritte: 5. und 7. Mai als German in "Pique Dame".

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