Das Pianissimo extrem genießen

Monatelang bereiteten sich die Niederrheinischen Sinfoniker auf die Uraufführung vor.

Mönchengladbach/Krefeld. Der Blick des Besuchers fängt im Proberaum der Niederrheinischen Sinfoniker ein für ihn ungewohntes Bild ein. Es sind noch fünf Minuten bis zum Beginn der Probe von "Dybbuk", das am Freitag uraufgeführt wird.

Jeder Musiker sitzt an seinem Platz, die Kleidung ist buntgemischt statt Konzert-schwarz. Am Ende des Raumes im Obergeschoss des TiN im Borussiapark liegen Instrumentenkästen auf Tischreihen. In den Deckeln vielfach Familienfotos, wie sie andere Leuten auf den Schreibtischen haben.

Konzertmeister Philip Wenger steht auf, und alles verstummt. Er spielt auf seiner Geige einen Ton, die anderen stimmen danach ihre Instrumente. Generalmusikdirektor Graham Jackson steigt auf sein Dirigentenpult. Ein Mann in rotem Fleecerolli und schwarzen Hosen setzt sich an einen der Tische und schlägt eine Partitur auf. Er ist François Sarhan, der 37 Jahre alte Komponist des Stückes "Dybbuk".

Es ist das zweite Mal, dass das Orchester dieses Stück gemeinsam probt. Schon vor Monaten hat jeder Musiker seine Noten bekommen und sich zu Hause darauf vorbereitet. Nun gilt es, alle zusammenzufügen. Jackson hat in seiner Partitur die fast 40 verschiedenen Stimmen auf einer Seite so notiert, dass er sieht, wer was spielt, und kann den Musikern die Einsätze geben. Die Taktstriche sind gemarkert.

"Wir machen weiter bei Buchstabe N" sagt Jackson, und die Musiker blättern. "Wichtig ist bei jedem Dim, dass es wirklich auf Pianissimo" - so nennen die Musiker die leisesten Stellen - "zurückgeht", gibt Jackson einen Hinweis. "Bitte denken Sie daran: Genießen Sie das Leise ganz extrem. Und denken Sie französisch transparent." Er hebt den Taktstock, schwingt ihn ab, und alle 70 Musiker fangen an zu spielen. Diffuse Laute aus den Streichern und Bläsern, dazu rollend ein Schlaginstrument. Plötzlich bricht der Klang ab, und die Schlaginstrumente knallen dumpf in diese Pause.

Einmal im Jahr lässt Jackson ein Werk für das Orchester schreiben. "Ich habe Sarhan gesagt, er kann seiner Fantasie freien Lauf lassen", sagt er über die inhaltlichen Vorgaben. Nur groß sollte es sein und rund eine halbe Stunde lang dauern.

"Wir gehen noch einmal zu U", unterbricht Jackson erneut. "Das ist die schwierigste Stelle." Wieder gibt er den Einsatz, wieder splittern einige Töne, und Risse gehen durch das Orchester. "Die Triller sind mir zu konkret. Mehr Nebel!" fordert Jackson.

Der Komponist verfolgt die Probe mit strengem Blick und zeichnet immer wieder energische Zeichen in die Partitur. Seine Miene klärt sich auf. "Es wird besser." sagt er. Wenn die Stimmen des Stücks zusammen gefügt wurden, wird er seine speziellen Vorstellungen von der Klangfarbe einbringen.

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