Jazz : Improvisation mit Notenblatt
Krefeld Quartett Laubrock/Payen gibt im Jazzkeller Rätsel auf.
Des Rätsels Lösung gab es am Schluss. In ihren Stücken, so Tenorsaxophonistin Ingrid Laubrock, hätten sie und ihr Kollege, der Altsaxophonist Stéphane Payen, sich an Tonleitern abgearbeitet, die der amerikanische Komponist Milton Babbitt (1916-2011) für seine Komposition „All Set“ (1957) benutzt habe. Aha. Deswegen klang die Musik des Quartetts von Laubrock und Payen, das auf Einladung des Jazzklubs Krefeld im Jazzkeller gastierte, einerseits sehr frei, dann aber doch nicht komplett atonal. Auch wirkte sie oft formal sehr streng.
Man hatte sich ja schon gewundert, dass die vier Musiker außerhalb ihrer Improvisationen so lange auf die vor ihnen stehenden Noten fixiert blieben. Mit dem Wissen um Babbitt musste man sich nicht mehr wundern. Der Komponist war auch noch Mathematiker und Musiktheoretiker, und er wurde von der Zwölftontechnik Arnold Schönbergs beeinflusst.
Sperrige Melodienlinien in „schräger“ Mehrstimmigkeit
Damit ist klar, dass über dem Konzert von Payen und Laubrock eben nicht der Ausdruckswille des Free Jazz schwebte, sondern dass hier der kontrollierte Bruch nachwirkte, den Vertreter der ernsthaften Neuen Musik mit den Klang-, Melodie- und Harmonie-Konventionen der herkömmlichen E-Musik vollziehen wollten. Streng zu beachtende Formen sowohl bei den Themen als auch bei den Improvisationen des Quartetts mussten einen dann auch nicht mehr überraschen. Die Skalen, die benutzt wurden, setzten Laubrock und Payen in sehr sperrige Melodielinien um, die selten einmal unisono, meist aber in „schräger“ Mehrstimmigkeit erklangen.