Konzert Philippe Herreweghes schnörkelloses Mozart-Requiem

Düsseldorf · Der belgische Dirigent setzte mit dem Collegium Vocale Gent und dem Orchestre des Champs-Élysées in der Tonhalle auf Bodenhaftung. Doch zu Tränen rührte seine Version eher nicht.

Philippe Herreweghe, belgischer Dirigent, führte Mozarts Requiem in der Tonhalle auf. Foto: Michiel Hendryckx

Philippe Herreweghe, belgischer Dirigent, führte Mozarts Requiem in der Tonhalle auf. Foto: Michiel Hendryckx

Foto: ja/Michiel Hendryckx

Man hört es raunen, dass Mozarts Missa pro defunctis — kurz Requiem, nach dem ersten Wort des Introitus der tridentinischen Totenmesse — bei so manchem Zuhörer zu Tränen der Rührung führen soll. Ob schon bei den ersten schreitenden Takten, dem gewichtigen Einsetzen des Chores, bei den so rührenden sanften mozartschen Phrasen, die immer wieder aufkeimen oder spätestens bei dem Lacrimosa aus der Sequenz. Ob dies nun an Mozarts himmlischer, fragmentarisch gebliebener Musik liegt oder an emotionalen Interpretationen, vielleicht auch an in unser Gedächtnis eingebrannten Bildern vom sterbenden Mozart, ist schwer zu beantworten. Viele Mythen liegen im Requiem.

So oder so, wenn das Mozart-Requiem gespielt wird, erwartet das Publikum Emotionen, Rührung und neblig-düstere Klänge aus Mozarts letzten Stunden. Durfte man dies auch bei dem Besuch von Philippe Herreweghe mit dem Collegium Vocale Gent und dem Orchestre des Champs-Élysées in der Tonhalle erwarten? Ja und nein. Der belgische Dirigent Herreweghe entschied sich, die traditionelle von Joseph Eybler und Franz Xaver Süßmayr ergänzte Version des Requiems aufzuführen. Bei dem Süßmayr-Mozart-Requiem kann man unbekümmert schwelgen, sich hineinziehen. Wollte man provozieren, könnte man sagen, diese Form sei die konsumfreundlichste.

Doch wer Herreweghe kennt, weiß, dass seine Interpretationen alles andere als für Konsum gedacht sind. Mit akribischer Genauigkeit, absoluter Hingabe zum Notentext und musikalischer Kompromisslosigkeit gestaltet, ja formt er jede Phrase der Musik. Mit einem nach dem Himmel strebenden Chor, mit einem feinstens spielenden Orchester entsteht eine makellose Interpretation. Bewusst sind die Tempi gewählt, die wenig Raum fürs Dahinschmelzen lassen und dennoch nicht Testosteron-überladen sind. Man spielt historisch informiert, nach eigener Sicht historisch korrekt, wie Mozart zu klingen habe, mit entsprechend ausgerüsteten Instrumenten. Genauso historisch informiert ist die im damaligen Kirchenlatein übliche Aussprache aller Sänger.

Der Klang ist reduziert, großen Bombast oder sehnsüchtige, gezogene Bögen gibt es nicht. Doch gestalten sowohl Orchester als auch Chor dennoch jedes kleinste Detail mit einer Hingabe an bewegliche und lebendige Klangstrukturen. Ein dazu stimmiges Solo-Quartett bilden Emöke Baráths zarter sehr schön sitzender Sopran, Eva Zaïciks ansprechender Mezzosopran, für Maximilian Schmitt war der ausdrucksstarke Tenor Benjamin Bruns eingesprungen und schließlich Florian Boeschs vibrierender Bass.

Vor der Pause allerdings spielte man in bester Manier noch Mozarts „Jupiter“, die 41. Symphonie, mit einem etwas — je nach Geschmack — übereilten Finale.

Herreweghes Musik ist puristisch: Das wurde bei diesem Heinersdorff-Konzert offenbar. Doch weinen, weinen mochte man dann doch nicht. Wirklichen Jubel gab’s nicht, der Applaus schwoll für den Chor an.

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