Kundgebung vor dem Amtsgericht Düsseldorferin will nicht wegen Schwarzfahrens in Haft

Düsseldorf · Weiterhin drohen einer ehemals obdachlosen Frau sechs Monate Haftstrafe. Das Geld habe für die Fahrscheine einfach nicht gereicht, sagt sie.

 Gisa M. vor ihrer Anhörung beim Amtsgericht. Sie kämpft gegen eine Haftstrafe wegen Schwarzfahrens.

Gisa M. vor ihrer Anhörung beim Amtsgericht. Sie kämpft gegen eine Haftstrafe wegen Schwarzfahrens.

Foto: Verena Kensbock

Eine 56-jährige Düsseldorferin wehrt sich gegen eine Haftstrafe, die sie wegen Schwarzfahrens verbüßen soll. Gisa M. wurde zu insgesamt eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie elf Mal ohne gültiges Ticket mit der Bahn gefahren ist. Ein Teil dieser Strafe wurde nun zur Bewährung ausgesetzt. Ein weiteres halbes Jahr Haft steht aber weiterhin im Raum.

Verurteilt wurde sie vom Amtsgericht wegen des „Erschleichens von Leistungen“. Denn Gisa M. ist suchtkrank, sie hat früher Heroin genommen und befindet sich seit vielen Jahren im Methadonprogramm, erzählt sie. Darum fährt sie täglich mit der Bahn zur Ambulanz. Im Frühjahr 2019 ist Gisa M. zweimal ohne gültiges Ticket mit der Bahn gefahren und hat dafür eine erste Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung bekommen.

Sie wurde danach noch mehrmals ohne Fahrschein erwischt und zu einem weiteren Jahr Gefängnis verurteilt. Weil sie kein Sozialticket bekommen habe, habe ihr Geld für die Fahrscheine einfach nicht gereicht, sagt sie. Die Staatsanwaltschaft hat schließlich die Bewährungen widerrufen, die Haftstrafen sollten vollstreckt werden.

Zu ihrer Anhörung beim Amtsgericht am Donnerstag kam Gisa M. mit einem Koffer, darin ihr Hab und Gut. Sie hatte befürchtet, direkt nach dem Gerichtstermin verhaftet zu werden. Ihre größte Angst sei, aufgrund der Haftstrafe ihre Wohnung zu verlieren, sagt die 56-Jährige. Sie habe jahrelang auf der Straße gelebt und wolle nicht dorthin zurück. „Das wäre für mich das Allerschlimmste.“ Auch ihren Hund Balu müsste sie abgeben.

Gisa M. hatte sich darum bei der Obdachlosenhilfe Fiftyfifty, für die sie seit Jahren Zeitungen verkauft und Stadtführungen gemacht hat, Hilfe gesucht. Vor dem Gericht versammelten sich am Morgen 40 Menschen für eine Solidaritätskundgebung des Aktionsnetzwerkes „Tasche leer – Schnauze voll!“. Oliver Ongaro von Fiftyfifty wies auf ein „Missverhältnis“ von Taten und Strafe hin. So belaufe sich der Schaden, der den Verkehrsbetrieben entstanden ist, auf 33 Euro. Ein Hafttag in Nordrhein-Westfalen koste hingegen durchschnittlich 178,91 Euro, das mache bei 18 Monaten Haftzeit fast 100 000 Euro.

Nach Angaben von Fiftyfifty ließ sich der Richter von der positiven Sozialprognose der 56-Jährigen überzeugen. Die Obdachlosenhilfe hat zugesagt, Gisa M. für fünf Jahre ein Abo für ein Monatsticket zu finanzieren. Damit sei zumindest ein Jahr der Haftstrafe weiterhin zur Bewährung ausgesetzt.

Die erste Haftstrafe – ein halbes Jahr Gefängnis für zwei Mal Schwarzfahren – steht aber noch im Raum. Der Anwalt der Düsseldorferin habe einen Antrag auf Therapie statt Haftstrafe gestellt, die Zusage der Staatsanwaltschaft stehe aber noch aus, teilte Fiftyfifty mit.

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