Drogensucht Düsseldorfer Psychiater: „Wir müssen anders mit Suchtkranken umgehen“

Düsseldorf · Seit drei Jahren behandelt der Psychiater Valentin Agadzanov Suchtkranke in seiner Praxis. Die liegt mitten im Brennpunkt in der Nähe der Charlottenstraße. Mit der WZ sprach er über seine Erfahrungen.

 Valentin Agadzanov will Suchtkranke wie jeden anderen Patienten auch behandeln.

Valentin Agadzanov will Suchtkranke wie jeden anderen Patienten auch behandeln.

Foto: Dieter Sieckmeyer

Der Warteraum an der Immermannstraße sieht aus wie ein Warteraum in jeder anderen Praxis auch. Für viele, die hierher kommen, ist es nicht selbstverständlich, neben ganz normalen Patienten zu sitzen. Denn es handelt sich um Suchtkranke, die mit Methadon versorgt werden. Seit drei Jahren hat der erfahrene Psychiater Valentin Agadzanov sein medizinisches Versorgungszentrum an dem Brennpunkt, der nur wenige Schritte von der Charlottenstraße entfernt liegt. Der 54-Jährige sieht die ambulante Therapie in den Methadon-Ambulanzen kritisch und versucht, neue Wege zu gehen.

„Wir versuchen hier einen ganz anderen Ansatz, als es zum Beispiel in den Methadon-Ambulanzen der Fall ist. Wir behandeln Suchtkranke wie ganz normale Patienten. Sie kommen bei uns ganz selbstverständlich in die Einzelsprechstunde“, erklärt der Suchtexperte, „viele der Drogensüchtigen fühlen sich als Menschen zweiter Klasse und sind auch oft so behandelt worden. Wir wollen kein Methadon-Automat sein, sondern arbeiten mit einem ganzheitlichen Konzept.“

Dazu gehöre, dass die Betroffenen aus der Szene gelöst werden, um von ihrer Sucht los zu kommen. Das sei aber kaum möglich, wenn sie bei den Methadon-Ambulanzen immer wieder mit anderen Drogenkonsumenten zusammen treffen: „Es gibt Patienten, die zieht es zur Szene hin. Andere möchten den Kontakt unbedingt vermeiden.“

Der Psychiater kritisiert, dass im ambulanten Bereich zu wenig getan wird: „Ich habe auch in der stationären Langzeittherapie gearbeitet. Da gibt es ganz andere Möglichkeiten. Es gibt begleitende Sport-, Kunst oder sogar Tanz-Angebote.“ Für Methadon-Patienten sei es viel schwieriger, solche Maßnahmen genehmigt zu bekommen. Und wenn es doch gelingt, gibt es noch andere Probleme. Agadzanov: „Wenn zum Beispiel eine Ergo-Therapie genehmigt worden ist, finden Suchtkranke keinen Platz. Niemand wird Ihnen offiziell sagen, dass in einer Praxis keine Junkies erwünscht sind. Es ist aber oft so.“

Kompliziert sei die Situation auch für Patienten, die ihre Sucht verheimlichen. Oft aus Angst, die berufliche Existenz zu verlieren: „Ich behandele zum Beispiel eine Rechtsanwältin, die ihre Zulassung verlieren würde, wenn ihre Sucht bekannt würde.“ Längst ziehe sich die Problematik quer durch alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen. Auch Patienten, die zwischen 50 und 60 Jahre alt sind, suchen Hilfe bei dem Psychiater. Das seien ganz normale Menschen, bei denen niemand vermuten würde, dass sie eine Suchtproblematik haben.

In vielen Fällen sei es auch notwendig, als Psychiater in die Tiefe zu gehen: „Ich habe eine Patientin, die ist als Kind von ihrer Mutter immer im Keller eingesperrt worden. Sie nimmt Drogen, um damit ihre Ängste zu bekämpfen.“ Um eine erfolgreiche Therapie zu entwickeln, sei es notwendig, die Ursachen für eine Sucht zu erforschen. Das können die Methadon-Ambulanzen nicht leisten. Darum es sei es auch notwendig, dass der Staat deutlich mehr Geld in begleitende Behandlungen investiert. „Sonst wird sich hier nichts ändern“, davon ist Valentin Agadzanov überzeugt, wenn er aus dem Fenster auf die Charlottenstraße blickt.

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