Stadt-Teilchen Joggen macht Spaß – man muss ja nicht selbst laufen

Düsseldorf · Unser Autor geht zum Joggen gern in den Volksgarten. Da kann man den Läufern schön zuschauen.

 Gerne schaut unser Autor anderen beim Joggen zu. Schön, wenn dabei der Pferdeschwanz wippt.

Gerne schaut unser Autor anderen beim Joggen zu. Schön, wenn dabei der Pferdeschwanz wippt.

Foto: picture alliance/dpa/Fabian Sommer

Joggen macht Spaß. Ich weiß das, weil ich ab und zu selbst zum Joggen gehe. Ich radle dann in den Volksgarten. Möglichst am späten Nachmittag oder frühen Abend, wenn alle joggen. Wenn man morgens joggen geht, ist es oft sehr einsam im Volksgarten. Dann sind Jogger Ausnahmeerscheinungen, dann fühle ich mich so singulär. Das liegt mir nicht.

Am frühen Abend aber ist man niemals einsam, dann joggen alle, die noch einen Fuß vor den anderen setzen können. Man kann das sehr schön sehen, wenn man sich auf eine Bank an einer der Hauptjoggingstrecken setzt und einfach schaut. Oder man blickt, und dann schaut man wieder, bevor man erneut einen Blick wagt.

 WZ-Kolumnist

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Für mich ist da vieles Ritual. Erst einmal ankommen und die Umgebung inhalieren. Hören, wie am großen Teich eine kleine Bläsertruppe übt und noch ein bisschen Schwierigkeiten hat mit der Synchronisierung der einzelnen Instrumente. Klingt trotzdem sehr schön an einem lauen Sommerabend, weil die Töne so angenehm übers Wasser hallen und sich vereinen mit gelegentlichem Gackern oder Quacken von irgendeiner dummen Gans oder Ente.

Von irgendwoher weht Grillduft herbei und aktiviert die Hunger- und Bierdurstzellen in meinem Körper. Aber ich bleibe standhaft, ich kenne mich aus mit Triebaufschub. Ich bin wegen des Joggens hier, nicht um mich vollzustopfen. Meinen Input hole ich mir nicht vom Grill, sondern erst einmal von den an meiner Bank vorbei hechelnden Sportlern.

Hei, da ist was los. Einer ist da anders als der andere. Es gibt so viele Typen von Joggern, und nicht alle sehen aus, als mache das, was sie da gerade tun, wirklich Spaß. Manche müssen in dieser Hinsicht an ihrer Performance arbeiten. Sie verzerren ihre Gesichter zu Grimassen, die man in dieser oder ähnlicher Form sonst höchstens in Folterkellern antreffen dürfte. Ich sehe extrem eingefallene Gesichter, manche ganz bleich, dem Ableben offenbar sehr nahe, andere mit derart puterrotem Gesicht, dass man als Beobachter geneigt ist, gleich die 112 zu wählen oder wenigstens nach dem nächsten Defibrillator Ausschau zu halten.

Es gibt Jogger, die haben sich offensichtlich vorgenommen, den Boden im Volksgarten zu verdichten und den Bäumen Good Vibrations beizubringen. Sie stampfen derart heftig auf, dass es sich bei ihrem Nahen anfühlt, als rücke gerade die Elefanten-Frühpatrouille aus dem Dschungelbuch an. Rumms, Bumms und dann wieder Rumms. Es ist ganz offensichtlich eine große Last mit dem überschüssigen Körpergewicht, das ständig dem Erdmittelpunkt entgegenstrebt und den Träger wirken lässt wie ein leibhaftiger Plumssack.

Aber es gibt auch die leichten, die tänzelnden Jogger, die aussehen, als hätten sie kaum noch Bodenkontakt. Sie schweben die Wege entlang, offenbar getragen von Feenstaub. Sie folgen ganz offensichtlich der Choreographie eines unsichtbaren Ballettmeisters. Diese Anmut, diese Grazie. Ich fühle mich angesprochen, motiviert. Ich überlege, ob ich auch so aussehe beim Joggen.

Angesichts der Tatsache, dass ich mit den Jahren ein wenig dem Typus Pfundskerl zuneige, ist das allerdings eher unwahrscheinlich. Und natürlich sind es meist Frauen, die sich so fein bewegen. Sie wirken noch eine Spur unwirklicher, wenn sie ihr Haar zum Pferdeschwanz gebunden tragen. Der wippt dann im Lauftakt hin und her und signalisiert deutlich: Schaut her, ich fliege.

Von Elefanten und Elfen erzählen also die Gestalten, die meine Bank passieren. Und dann sind da noch solche, die ihre Extremitäten beim Laufen nicht ganz unter Kontrolle zu haben scheinen. Sie schlenkern wild mit den Armen oder stellen die Beine komisch aus. Manche sind auch gar wunderlich gekleidet. Sie tragen hautenge Catsuits, was vor allem bei fülligeren Männern einer gewissen Komik nicht entbehrt. Erst recht, wenn sie die zu enge Kleidung noch kombinieren mit neongelben Thrombosekniestrümpfen, die den Träger als Warnbake in einer nächtlichen Autobahnbaustelle qualifizieren würden.

Natürlich sind auch echte Athleten unterwegs, hochgezüchtete Laufhengste mit unverschämt perfektem Muskelbau, überbacken mit einem leichten Schweißfilm, der ihre straffe Haut und ihre wohlgeformten Rundungen silbrig glänzen lässt. Ich überlege kurz, ob das nicht verboten werden sollte, dieses extra Lässige in der Bewegung, dieses offensichtliche Deklassieren aller Menschen mit einem BMI über 25. Aber natürlich soll nichts verboten werden. Dies ist ein freies Land. Hier darf jeder joggen wie er will.

Viele laufen mit Knopf im Ohr und folgen einer Musik, die man nicht hört. Manchmal versuche ich, den Bewegungen der vorbeirauschenden Jogger zu entnehmen, welche Musik sie gerade hören. Ist es Rap? Ist es Rock? Oder funktioniert Ballermannmusik besser? Auf jeden Fall sehen nach meiner, natürlich keineswegs repräsentativen Erhebung alle jene besser aus, die mit Musik joggen. Aber vielleicht will ich auch nur, dass es so ist, weil ich halt so ein großer Musikfreund bin.

Man kann Joggen übrigens auch hören. Es gibt da dieses Keuchkonzert, das man kennen kann, wenn man Kraftwerks großartige Radfahrhymne „Tour de France“ inhaliert hat. Da geht es zwar um Radfahrer, aber die Geräuschkulisse entlang meiner Volksgartenbank klingt ähnlich. Keuch, Ummpf, Keuch, Ummpf, Keuch. Es kommt von links und entfernt sich nach rechts. Naturstereo sozusagen.

Gute Jogger kriegen da einen mitreißenden Takt hin, einen, der mich beinahe hochreißt von meiner Bank. Ja, da will ich dabei sein, das klingt prima. Ich will auch elegant dahin schweben und mein zusammengebundenes Haar im Wind wippen lassen.

Meist fällt mir dann aber schnell wieder ein, dass mir die für einen Pferdeschwanz nötige Haarmenge nicht mehr zur Verfügung steht. Außerdem bin ich nach einer Dreiviertelstunde Jogger-Beobachtung meist so erschöpft, dass ich zu dem Schluss komme, jetzt besser auf keinen Fall unüberlegt loszulaufen, sondern mir lieber einen akkuraten Plan für den Einsatz an einem anderen Tag auszuarbeiten. Man weiß doch, mit welchen Risiken dieses spontane Sporteln verbunden ist. Muskeln wollen aufgewärmt, Bänder gedehnt werden. Wie schnell hat man sich da was gezerrt, gerissen. Außerdem ist regelmäßige Flüssigkeitszufuhr immens wichtig.

Ich beschließe, dass ich für diesen Tag genug vom Joggen habe. Außerdem will ich meine Gelenke schonen. Ich nehme noch einmal Witterung auf zu diesem Grillgeruch. Ich merke, dass ich schon ziemlich ausgemergelt wirke und mir dringend Energie zuführen muss. In welcher Form auch immer. Morgen ist auch noch ein Tag.

Zu Hause erzähle ich nur knapp, dass ich zum Joggen im Volksgarten war. Ist nicht einmal gelogen. Schließlich war ich zum Joggen da, und aus der Tatsache, dass ich schonend mit meinen mir zur Verfügung stehenden Körperkapazitäten umgehe, kann man mir keinen Strick drehen. Außerdem war das Bier sehr lecker. Joggen kann eben auch richtig Spaß machen. Man muss es nur richtig angehen.

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