Tonhalle Der „Teufelsgeiger“ wird wie ein Popstar bejubelt

Düsseldorf · Nemanja Radulovic spielte beim Meisterkonzert mit dem Staatlichen Sinfonie-Orchester Russland in der Tonhalle.

 Violinist Nemanja Radulovic (mit Dirigent Alexandre Bloch hier bei einem Sternzeichen-Konzert) spielte mit dem Staatlichen Sinfonieorchester Russland in der Tonhalle.

Violinist Nemanja Radulovic (mit Dirigent Alexandre Bloch hier bei einem Sternzeichen-Konzert) spielte mit dem Staatlichen Sinfonieorchester Russland in der Tonhalle.

Foto: Tonhalle Düsseldorf/Susanne Diesner

Seine Löwenmähne zum Pferdeschwanz gebunden: Sie vibriert  bei jedem Auftakt, bei jedem Saiten-Sprung. Dazu tänzelt Nemanja Radulovic - in schwarzen Röhrenjeans, T-Shirt und Smoking-Jacke – mit seinem Instrument, auch wenn er Tschaikowskis Violinkonzert spielt. Als Teufelsgeiger kennen den serbisch-französischen Exzentriker die Tonhallen-Besucher bereits von seinem Düsseldorf-Debüt vor einem Jahr bei einem „Sternzeichen“-Konzert. Wie ein Popstar wurde er auch jetzt wieder bejubelt. Diesmal bei einem Meisterkonzert mit dem Staatlichen Sinfonie-Orchester Russland (mit Beinamen „Evgeny Svetlanov“) unter ihrem Gastdirigenten Andrey Boreyko. Letzterer in der Stadt auch ein bekanntes Gesicht: Von 2009 bis 2014 war er Chefdirigent der Symphoniker. (Siehe Kommentar!). Auf dem Programm: Neben Tschaikowski und Strawinskys „Feuervogel“ zwei kurze Stücke des hierzulande wenig aufgeführten Anatoli Ljadow (1855-1914), der seinen eigenwilligen Hang zum romantisch Geheimnisvollen und Märchenhaften in blumigen Orchesterfarben auslebte. So glich das ausverkaufte Heinersdorff-Konzert einem russischen Abend.

In Ljadows „Der verzauberte See“ bestechen die Streicher der Staatlichen Sinfoniker durch schwereloses Schwelgen und Wellenbewegungen, die an französischen Impressionismus erinnern. Eine verwunschene Stimmung und Waldeinsamkeit machen sich an diesem See breit. Voller Poesie und Mythologie ist auch die knappe sinfonische Dichtung „Kikimora“ – benannt nach einer Hexe, die als Hausgeist durch Mauern schreitet, alles in Unordnung bringt und ein Chaos anrichtet. Die eine wilde Hexe ist da am Werk – zu vernehmen durch grotesk ausfahrende Akkorde, klappernde Schlagwerke und grell aufflackernde Holzbläser. Ein wahrer Poltergeist, der keinen Stuhl im Haus stehen lässt. Wie der große Orchesterapparat (exakt geführt durch Boreyko) sich aufbäumt und abschwillt, lässt auf einen Meister der Orchestrierung schließen. So macht die Petitesse neugierig auf den Tondichter; doch, wie man weiß, gehörte das Natur- und Multitalent Ljadow (er betätigte sich auch als Maler) nicht zu den fleißigsten seiner Zunft.

Das Orchester aus Moskau hat dieses Stück drauf und erwies sich als Botschafter für Ljadows Musik. In Tschaikowskis D-Dur-Opus war es zudem – unter Boreykos aufmerksamem Dirigat – zuverlässiger, rücksichtsvoller Partner für den Geiger, der gerne die Tempi extrem verzögert und in manchen Passagen nur gehauchte Töne seinem Instrument entlockt. A bissel exzentrisch ist der Mann, der vielleicht auch wegen seines Outfits von der Plattenindustrie gehypt und von manchen als „serbische Antwort auf David Garrett“ gehandelt wird.

Mal leichtfüßig und verspielt – eine zarte romantische Seele. Plötzlich zupackend und mit Affenzahn mit seinem Bogen über die Saiten fahrend. In diesen Momenten lässt er den Teufelsgeiger raushängen. Mit allen Schikanen und funkelnder Virtuosität. Spieltechnisch lässt Nemanja Radulovic keine Wünsche offen, bietet zündende Dynamik, lauert auf die kniffligen Passagen. In den lyrischen Sequenzen bringt der Serbe mit filigranen Verzierungen die russische Seele zum Glühen, intoniert aber auch im Allegro sauber. Manchmal mit blitzenden Augen in Richtung der Damen an den ersten Orchesterpulten und in den ersten Zuschauer-Reihen. Radulovic, der nach dem furiosen Finale mit einer Zugabe von Bach die Gemüter beruhigt, war in der Pause beim Signieren seiner CDs umschwärmt. Er ist sicherlich nicht mit Interpretationen von Anne-Sophie Mutter oder Janine Jansen zu vergleichen, überzeugt aber als elektrisierender, authentischer Geiger.

Zupackend und streckenweise robust klingt das Orchester, wirkt in Strawinskys „Feuervogel“ – der Suite aus dem gleichnamigen Ballett – wie ein Erzähler. Farbenprächtig kommt die Zartheit des jungen Prinzen Iwan über die Rampe, der sich in eine Prinzessin verliebt und nach einem Kampf den bösen Zauberer Kastschej aus dem Zauberreich verbannen kann. In Kastschejs Höllentanz ziehen Boreyko und das Orchester noch einmal alle Register, drehen richtig auf, legen im Finale noch ein Schippchen drauf – und werden stürmisch gefeiert.

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