Interview „Druck bremst die Kreativität aus“

Am 29. Oktober kommt Joris mit seinem neuen Album „Schrei es raus“ ins Kölner E-Werk.

Am 29. Oktober kommt Joris ins Kölner E-Werk nach Mülheim.

Am 29. Oktober kommt Joris ins Kölner E-Werk nach Mülheim.

Foto: Label/Klaus Sahm

Wie hat sich Ihre Welt nach dem erfolgreichen Debüt verändert? Wie groß war der Erfolgsdruck?

Joris: Ich war jetzt zweieinhalb Jahre unterwegs. Die Tour hat mich zu vielen Festivals geführt und ich bin mit Künstlern wie Radiohead aufgetreten, deren Poster früher bei mir an der Wand hingen. Insgesamt waren das drei Touren. Das ist schon Wahnsinn, was da über mich hereingebrochen ist. Davon habe ich all die vielen Jahre geträumt, in denen ich schon Musik mache. Natürlich habe ich darüber nachgedacht, was jetzt als nächster Schritt kommt und muss auch die vielen Eindrücke erst einmal verarbeiten. Mir selbst Druck zu machen, bremst aber die eigene Kreativität aus. Da brauchte ich einfach Ruhe und habe mir für das nächste Album Zeit lassen. Ich bin in ein großes Studio gegangen, wo man noch voll auf die analoge Zeit setzt – da gibt es viel Vintage-Equipement. Das liess mir viel Zeit für Muße und Kreativität.

Wann sind die Songs entstanden, die jetzt auf dem neuen Album zu hören sind?

Joris: Es gibt einen Song, „Rom“, der ist schon vor dem ersten Album entstanden. Es geht darin um die Situation, wenn man Schule oder Studium abgeschlossen hat und so viele Möglichkeiten bekommt, dass einen das schon fast wieder einengt, weil die Leute wissen wollen, wohin man hin will. Da gibt es eine gewisse Erwartungshaltung. Viele Songs sind zwischen den Alben in den vergangenen drei Jahren entstanden. Einige auch erst im vergangenen Herbst.

Wie entstehen die Songs?

Joris: Zuerst gibt es meist die Musik. Die entsteht am Klavier oder mit der Gitarre ganz intuitiv, da lasse ich dann einfach die Finger spielen. Bei den Texten nehme ich mir viel Zeit und denke viel nach. Das braucht seine Zeit.

Die Themen, die Sie angehen, werden sehr facettenreich betrachtet.

Joris: Das Leben ist facettenreich, da spielt sich sehr viel zeitgleich ab. Da trifft man viele sehr verschiedene Künstler und findet fiese sehr sympathisch. In der gleichen Zeit habe ich den Terroranschlag in Ansbach erlebt, bei dem sich ein Mensch in die Luft gesprengt hat. Oder ich freue mich total auf das Treffen mit einer Freundin und die kommt lächelnd auf mich zu, gleichzeitig taucht auf dem Handy eine Nachricht auf, dass in Afghanistan 100 Menschen bei einem Bombenanschlag getötet worden sind. Eine Seite auszublenden oder hervorzuheben, halte ich für falsch. Man muss die Gleichzeitigkeit der Dinge akzeptieren.

Können Sie noch unerkannt unterwegs sein?

Joris: Ich bin Musiker und kein Schauspieler. Da kennen viele Leute auch nur die Musik und nicht mich. Aber das Leben hat sich schon verändert. Das merke ich, wenn ich mit Freunden unterwegs bin,Leute kommen und Fotos mit mir wollen. Das kann auch schon mal etwas anstrengend werden.

„Glück auf“ ist ein besonderer Song auf dem Album. Er macht Menschen Mut in schweren Zeiten.

Joris: Jeder hat mal einen schlechten Tag und ist traurig. Ich komme darüber immer wieder hinweg. Aber es gibt Menschen, für die gibt es kein Licht im Tunnel. Da passt der Titel. Unser Tourfotograf kommt aus Bochum und da hat man früher „Glück auf“ gesagt, wenn die einen Bergleute in den Schacht einfuhren und die anderen wieder zurück ans Tageslicht kamen. Es ist eine Metapher dafür, dass es wieder aufwärts geht.

Sie sind in Ostwestfalen geboren und leben jetzt in Mannheim. Wie kam es dazu?

Joris: Ich habe Musik gemacht, seit dem ich fünf bin – vom Schlagzeug über das Klavier bis zur Gitarre. In unserem Keller habe ich mir auch ein kleines Studio eingerichtet. Ich will immer Musik machen und kreativ sein. In der alten Heimat habe ich nur wenige Leute gefunden, die das auch wollen und so bin ich für meine Tonmeisterlehre nach Berlin gezogen. Dort gab es dann die Menschen, die so dachten wie ich, aber ich wollte selbst wieder mehr Musik machen. Da bot sich Mannheim mit seiner Musikhochschule für Jazz und der Popakademie an. Das ist eine Stadt, die ihre Musik- und Kunstszene sehr gut fördert. Da kann man Tag und Nacht Musik machen.

Sie treten am 29. Oktober im E-Werk an der Schanzenstraße auf. Wie ist Ihre Beziehung zu Köln?

Joris: Jedes meiner Konzerte in Köln war bislang mit einer schönen Erinnerung verbunden. Die Leute sind immer gut drauf und die Konzertorte sind toll. Leider gibt es das Underground nicht mehr. Aber jetzt freue mich auf das E-Werk, wir haben schon lange keine Clubkonzerte mehr gespielt. Dort habe ich schon während der Studienzeit als Techniker für eine andere Band gearbeitet. Jetzt dort spielen zu dürfen, ist für mich eine große Ehre.

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