Prozess Binder-Kündigung ist unwirksam

Wuppertal · Landesarbeitsgericht weist Berufung des Tanztheaters zurück. Vertrag als Intendantin gilt weiter.

 Adolphe Binder im Saal des Landesarbeitsgerichts in Düsseldorf. Die Kündigung der Stadt gegen sie ist unwirksam.

Adolphe Binder im Saal des Landesarbeitsgerichts in Düsseldorf. Die Kündigung der Stadt gegen sie ist unwirksam.

Foto: ja/Judith Michaelis

Adolphe Binder (50) ist weiter Intendantin des Tanztheaters Pina Bausch. Das stellte am Dienstag das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf fest und wies damit die Berufung des Tanztheaters gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurück.

Wie dieses sagte das Landesarbeitsgericht, die vorgetragenen Gründe seien nicht schwerwiegend genug für die fristlose Kündigung im Juli 2018. Damals hatte das Tanztheater Adolphe Binder nach nur einem Jahr in Wuppertal den Stuhl vor die Tür gesetzt. Vorausgegangen waren längere interne Konflikte. Wie es mit dem Anspruch von Adolphe Binder auf Weiterbeschäftigung und Gehaltszahlungen aussieht, will das Gericht Ende 2019/Anfang 2020 entscheiden.

Am Ende reichte Roger Christmann, seit Anfang des Jahres kaufmännischer Geschäftsführer des Tanztheaters, Adolphe Binder die Hand, verabschiedete sich mit „Auf Bald.“ Denn nun müssen sich die Parteien zusammensetzen und gemeinsam einen weiteren Weg finden – auch weil es mit Bettina Wagner Bergelt bereits eine neue Intendantin gibt. Verhandlungen hatte der Vorsitzende Richter Alexander Schneider den Beteiligten auch aufgetragen: „Wir erwarten, dass Sie sich in Gespräche begeben und die Lage mit gutem Willen bearbeiten.“

Zweieinhalb Stunden hatte er mit den Parteien – Roger Christmann und Anwältin Silke Allerdissen für das Tanztheater sowie Adolphe Binder und deren Anwalt Ernst Eisenbeis die Rechtslage erörtert. Den teils launigen Ausführungen des Richters folgten im vollbesetzten Saal fast 40 Zuhörer, darunter Journalisten ebenso wie Mitarbeiter und Tänzer des Tanztheaters. „So viel Andrang haben wir selten“, stellte Gerichtssprecher Michael Gotthardt fest.

Am Ende mahnte der Vorsitzende Richter die Parteien: „Sie müssen einen Modus vivendi finden.“ Er appellierte eindringlich: „Sie müssen die Außenwirkung und die Existenz des Tanztheaters im Auge behalten.“ Als Wuppertaler tue es ihm „in der Seele weh, dass das Aushängeschild Wuppertals dermaßen leidet“.

Kritik an Spielplanentwurf
greift nicht

In der Verhandlung waren zunächst die vom Tanztheater vorgelegten Kündigungsgründe Thema. Und Alexander Schneider machte wie der Richter der Vorinstanz klar, dass die Kritik an Binders Spielplanentwurf nicht greife. In ihrem Vertrag stehe: „Sie ist alleinverantwortlich in allen künstlerischen Belangen innerhalb des vorgesehenen Etats.“ Damit habe sie das Sagen, auch wenn anderen innerhalb des Tanztheaters der Plan nicht gefalle.

Auch die erneut von Anwältin Silke Allerdissen vorgetragenen Argumente, Adolphe Binder habe zum Beispiel für das Stück Macbeth zu wenig Probenzeit vorgesehen, überzeugten nicht. Ebensowenig die Erklärung von Roger Christmann. Danach hätte es „einen künstlerischen Schaden“ für das Tanztheater bedeutet, ein Stück zu präsentieren, ohne ausreichend zu proben. Die Kündigung sei die „einzige Chance“ gewesen, „diesen künstlerischen Schaden vom Tanztheater fernzuhalten“.

Auch Vorwürfe aus der Mitarbeiterschaft, sie arbeite chaotisch oder stelle sich selbst zu sehr in den Vordergrund, reichten dem Gericht nicht. Daraus sie kein „Eignungsmangel“ für den Posten abzuleiten. Konflikte am Arbeitsplatz seien normal, besonders, wenn jemand engagiert werde, um etwas zu verändern.

Der Vorsitzender Richter sagte aber auch, bei so massiven Konflikten gebe es „nie nur Schwarz und Weiß“: „Wir sind weit entfernt, Sie freizusprechen“, sagte er zu Adolphe Binder. Den Mitarbeitern habe es offenbar an Wertschätzung für ihre Arbeit gefehlt.

Binder betonte in einer Erklärung, dass sie aus ihrer Sicht erfolgreich war, dass sie vor allem mit den Tänzern gut zusammengearbeitet hat. „Ich bin zutiefst überzeugt, dass ich es dem Tanztheater und dem Ensemble schuldig bin, meine Arbeit fortzusetzen.“

Ihr Anwalt Ernst Eisenbeis wies mehrfach darauf hin, dass es ihr um ihre Reputation gehe. Auch deshalb bestand Adolphe Binder auf einer Entscheidung des Gerichts und lehnte eine Güterichterverhandlung – eine Mediation mit einem Richter – ab, zu der das Tanztheater sich bereit erklärte.

Richter Schneider erklärte mehrfach, ein grundlegendes Problem sei der Vertrag gewesen. Der war auf fünf Jahre abgeschlossen, sah keine Probezeit und keine ordentliche Kündigung vor. Der „Kardinalfehler“ sei aber gewesen, dass nicht genau festgelegt war, wer im Tanztheater welche Aufgaben übernimmt.

Adolphe Binder erklärte nach dem Urteil, sie sei froh und erleichtert, dass ihr Vertrag Bestand habe. Ihr sei wichtig, „dass das so klar beschieden wurde“. Nun müsse man eine Kooperation antreten: „Ich werde auf das Tanztheater zugehen.“

Auch Roger Christmann sagte: „Wir werden das Gespräch suchen.“ Das Tanztheater respektiere das Urteil, werde aber die schriftliche Begründung noch abwarten. „Wir müssen einen Weg finden, der für alle und vor allem für das Tanztheater gut ist.“

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