Begrabt mein Herz in Wuppertal Uwe Becker und eine Menge gescheiterter Rekordversuche

Wuppertal · Der WZ-Kolumnist hat schon so manch waghalsigen Versuch unternommen, um ins Guiness-Buch der Rekorde zu kommen.

 Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

In Pakistan hat ein kleines Mädchen in zwei Minuten und 42 Sekunden die Aufgabe gelöst, die chemischen Elemente des Periodensystems anzuordnen. „Das wirkt wie ein Traum. Ich bin sehr glücklich und begeistert“, sagte die Neunjährige. Mit dieser Leistung hat sie es in das Guinness-Buch der Rekorde geschafft, da sie genau sieben Sekunden schneller als die bisherige Rekordhalterin war, eine indische Professorin. Als Kind sammelte ich die Guinness-Bücher. Mein großer Traum war, einmal auch in diesem Buch verewigt zu sein. Ich stellte mir die unglaublichsten Rekorde vor, die ich aufstellen könnte, um einen Eintrag ins Buch zu schaffen.

Ich war sieben Jahre, als ich zusammen mit meiner Mutter einen Weltrekord im Dauerküssen aufstellen wollte. Mein Plan war, meine Mama eine Million Mal hintereinander auf den Mund zu küssen, ging leider nicht auf, da sie immer nur für ein paar wenige Küsse Zeit hatte, weil sie entweder kochen, einkaufen oder zur Arbeit musste. Oma war da viel geduldiger, aber bei ihr brach ich den Rekordversuch schnell ab, da Großmutter damals Knoblauchpillen schluckte und sie hierdurch schlimmen Mundgeruch hatte. Meine Abneigung ging sogar so weit, dass ich Oma gar nicht mehr richtig liebhaben konnte. Meine Mutter klärte mich dann auf, dass die Medikamente für meine Oma sehr wichtig wären. Ich könnte sie ja auf den Hals küssen. Allerdings wollte ich mir nicht vorstellen, mit solch einem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen. Wie hätte sich das gelesen: „Der kleine Uwe Becker aus Wuppertal-Barmen hat seine Oma eine Million Mal auf dem Hals geküsst, weil sie so aus dem Mund gestunken hat, da sie Knoblauchpillen für ihre Gesundheit schlucken musste.“ Das wollte ich nicht, meine Oma wäre traurig gewesen und Nachbarskinder hätten mich wohl ausgelacht.

Viel Glück hatte ich, als ich einen ganz gefährlichen Weltrekord aufstellen wollte. Ich stieg vier Stockwerke unseres Wohnhauses hoch, kletterte durch das kleine Fenster auf dem Speicher, um von dort gut 20 Meter in die Tiefe zu springen, aber unverletzt auf beiden Füßen zu landen. Allerdings hatte der Bezirksschornsteinfeger etwas dagegen, der dort oben gerade den Kamin fegte. Hiernach plante ich nur noch ungefährliche Weltrekorde, die es meiner Ansicht nach ins Buch schaffen könnten.

Ich versuchte auszurechnen, wie viele Stunden ich noch zur Schule gehen müsste, kam aber nie auf eine Million. Tatsächlich waren es bei mir am Ende wirklich nicht viele Stunden, auch weil es damals ein Kurzschuljahr gab, von dem ich vorher natürlich keine Kenntnis hatte. Eine weitere Idee war, Salmiakpastillen zu zählen, die sich in einer Tüte für 40 Pfennig befanden. Mein Bruder nutzte aber mein konzentriertes Zählen aus, um mir heimlich Pastillen zu stibitzen. Aus Verärgerung stopfte ich mir den Rest auf einmal in den Mund.

Beim nächsten Weihnachtsfest lag dann wieder ein Guinness-Buch der Rekorde unterm Baum. Ich war wieder nicht drin. Langsam nervte und langweilte mich die ganze Geschichte. Da ich mittlerweile 13 Jahre alt war, begann ich zu rauchen. Aufgehört habe ich erst mit 63 Jahren. Ob man ins Guinness-Buch der Rekorde kommt, weil man 50 Jahre geraucht hat, ist eher unwahrscheinlich. Im Grunde bin ich aber heilfroh, dass ich damals nicht vom Dach gesprungen bin und mein Sohn heute Schornsteinfeger ist.

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