Kommentar Mit vollem Risiko

Als niemand mehr auch nur einen Pfifferling auf sie setzte, ist Wuppertals CDU aufgetaucht wie ein Phönix aus der Asche.

Und als schon gar niemand mehr auch nur einen Pfifferling auf sie setzte, ist Wuppertals CDU aufgetaucht wie ein Phönix aus der Asche. Mit ihrer Kehrtwende haben die Christdemokraten den Menschen in Uellendahl-Katernberg und Velbert-Neviges nicht nur die Nachbarschaft zu einer forensischen Klinik erspart, sie verschafften der saftigen Grünfläche Kleine Höhe auf unbestimmte Zeit auch eine Atempause. Dass die Fläche grundsätzlich bebaut werden kann, steht zwar immer noch im Regionalentwicklungsplan. Aber in Wuppertal werden sich auf lange Sicht vermutlich keine Mehrheiten finden, die dem Widerstand der Anwohner und Umweltschützer lang genug standhalten. Die CDU hat mit ihrer Entscheidung einen Schlussstrich gezogen unter eine Debatte, die seit Jahren geführt worden ist.

Dabei ist auch das Abstimmungsergebnis in der 19-köpfigen Ratsfraktion bemerkenswert. Wenn sich 16 von 19 Mitgliedern von der alten Vereinbarung mit dem ehemaligen Kooperationspartner SPD verabschieden, dann müssen dafür schon gewichtige Gründe eine Rolle gespielt haben. Nur ein Grund war nicht dabei. Die CDU hat nicht geschachert, sie ließ sich ihre Abkehr vom alten Forensik-Plan vom neuen Partner nicht abkaufen.

Politikprofis werden das seltsam, vielleicht sogar amateurhaft finden. In diesem Geschäft lassen sich die Akteure im Allgemeinen gut bezahlen, wenn sie alte Standpunkte räumen. Aber es wird in der Stadt nun keine Bauflächen-Offensive zulasten des Naturraumes geben, die Grünen träumen immer noch von der autofreien Innenstadt, und die CDU muss weiter auch gegen ihren Kooperationspartner im Rat um Videoüberwachung kriminalitätsgefährdeter Plätze in der Stadt kämpfen.

Das Nein zur Forensik auf der Kleinen Höhe ist vermutlich gleichbedeutend mit der Entscheidung, dass das Land seine Klinik an der Parkstraße in Ronsdorf baut, dort, wo es bereits Gelände besitzt, dort, wo die SPD und die FDP lieber Gewerbe sähen. Das wird es nun vermutlich nicht geben. Das ist bedeutend, weil Wuppertal in drei bis vier Jahren gar keine geeigneten Flächen mehr hat. Ob bis dahin trotz grüner Bedenken neue Gewerbegebiete erschlossen worden sind, steht dahin, zumal die CDU auf die Unterstützung der SPD in nun gar nichts mehr hoffen kann.

Also ist die CDU erstens gegenüber ihrem bisherigen Plan mit der Kleinen Höhe umgefallen und ist zweitens dem Wunsch ihres Juniorpartners gefolgt, die Kleine Höhe in Ruhe zu lassen. So werden und dürfen Kritiker das interpretieren.

Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit. Es kann sein, dass die Christdemokraten dem Umweltschutz in ihrer Politik jetzt einen anderen Stellenwert geben. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Fraktionsmitglieder sich ihres Auftrags erinnern, Politik für alle Menschen in dieser Stadt zu machen, also auch für jene, die seit Jahren um den Erhalt der Kleinen Höhe kämpfen - auch, aber wahrscheinlich nicht nur, weil sie dort wohnen.

Dennoch hat die CDU sich in eine riskante Position manövriert. Nach den Protesten an der Kleinen Höhe werden die Proteste an der Parkstraße kommen. Denen kann die Partei nur dann entgehen, wenn sie gegenüber den politischen Freunden in Düsseldorf soviel klare Kante zeigt, dass das Thema Forensik noch einmal neu beraten wird. Denn Wuppertal hat für die Sicherheit des Landes längst genug getan. Ein Gefängnis für erwachsene Straftäter, ein Gefängnis für den kriminellen Nachwuchs - das sollte doch reichen.

Selbstverständlich kann das Land seine Klinik auf der eigenen Fläche in Ronsdorf bauen. Aber ganz ohne konstruktive Begleitung durch die Stadtverwaltung geht das nicht, oder es dauert zumindest sehr viel länger. Deshalb hat Wuppertal immer noch genügend Argumente, eine neue Standortdiskussion zu fordern und alles auf Anfang zu setzen. Das ist keine Frage nach dem St.-Florians-Prinzip, es ist eine Frage zur Entwicklungsmöglichkeit, zur Zukunft dieser Stadt. Es ist eine Frage des Selbstverständnisses und der Emanzipation.

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