Charakterkopf macht Theater für die Zukunft

Marco Wohlwend zieht nach Elberfeld. Der charismatische Schauspieler ist neu im Ensemble der Wuppertaler Bühnen.

Wuppertal. Wann hat man Persönlichkeit? Wenn man von Berufs wegen im Rampenlicht steht? Oder wenn man auch abseits der Bühne etwas zu sagen hat? Wer mit Marco Wohlwend spricht, merkt schnell, dass beides zusammengehört. Der Schauspieler, der seit wenigen Wochen zum Ensemble der Wuppertaler Bühnen gehört, zieht Zuhörer in seinen Bann - nicht nur auf der Bühne.

Dort, im Kleinen Schauspielhaus, ist er derzeit gleich mit zwei zeitgenössischen Stücken vertreten: "Eine Billion Dollar" macht ihn zum berechnenden Anzugträger, "Der Futurologische Kongress" zur Schlüsselfigur eines skurrilen Science-Fiction-Abenteuers.

Auch privat zeigt Wohlwend viele Facetten. Der 39-Jährige passt in keine Schublade - nicht nur wegen seiner Körpergröße. Der Triathlet stammt aus einer Arzt- und Juristen-Familie, ist in St. Moritz aufgewachsen und Ende der 70er, "als meine Mutter neu geheiratet hat", nach Frankfurt am Main gezogen.

Hat die Familie rebelliert, als er offenbarte, Schauspieler werden zu wollen? "Nein, sie haben mich unterstützt. Sie haben nur gesagt: ,Wir kennen niemanden in der Branche. Du musst es alleine schaffen.’"

Auch das nächste Klischee setzt der athletische Schweizer schnell außer Kraft: Der gebürtige Basler hat in Frankfurt Geschichte, Sport und Politik studiert. Hat er - wie manche seiner Kollegen - erst nach dem 1. Staatsexamen gemerkt, dass er lieber Theater machen will, als vor Schülern aufzutreten?

"Nein, ich wollte nie Lehrer werden. Ich habe schon während des Studiums am Schauspielhaus in Frankfurt gespielt. Geschichte habe ich studiert, weil historische Hintergründe für viele Theaterstücke sehr wichtig sind. Sport habe ich gewählt, um fit für die Bühne zu bleiben - und Politik, um fit im Kopf zu sein."

Das klingt nach einem akribisch geplanten Lebenslauf. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit: Nach seinem Schlüsselerlebnis, einer "Faust"-Inszenierung in der Schule, hat wie automatisch eines das andere ergeben - bis ihn nur wenige Tage nach dem 1.Staatsexamen ein Brief erreichte, der die Tür zur Schauspielschule in Hamburg öffnete.

Wohlwend hatte die Aufnahmeprüfung bestanden - und das nötige Selbstbewusstsein, um in seiner neuen Heimat auch gleich am Hamburger Schauspielhaus an die Pforte zu klopfen. "Ich bin einfach hingegangen und habe gesagt: ,Ich bin Schauspiel-Student. Gebt mir etwas zu spielen.’"

Es hat funktioniert - was einen nicht wundert, wenn man Wohlwend im Gespräch erlebt. Der Schlagzeuger, der an diesem Wochenende von Hamburg nach Wuppertal zieht, ist ein aufmerksamer Zuhörer und ein noch aufgeweckterer Redner. Seine hellwachen Augen mustern, fixieren, ja durchbohren ihr Gegenüber. Das ist ungewöhnlich, aber alles andere als unangenehm.

"Ich neige eher zum Ausdruck", sagt er. Und schon darf man sich wieder wundern. Denn auch dieser Satz gehört zu seiner Lebensphilosophie: "Privat habe ich am liebsten Ruhe." Wobei der Jogger seinen Gedanken nicht nur auf der Hardt freien Lauf lässt: "Ich spiele auch gerne Golf. Das bringt mich ganz weit weg vom Theater."

Das ist nötig, weil auch ein großer Sportler regelmäßig durchatmen muss. Schließlich sind die Erwartungen, die Wohlwend an sich selbst hat, nicht unbedingt klein: "Theater heißt Auseinandersetzung mit Neuem. Das ist wichtig, weil wir täglich mit Bildern und Werbung zugeballert werden."

Für den Neu-Elberfelder, der sich nicht nur im Modern Dance und im klassischen Ballett, sondern auch bei Kampf-Choreografien mit Messer und Degen auskennt, ist die Bühne der perfekte Ort, um Temperament zu zeigen und gleichzeitig zu reflektieren: "Es geht nicht darum, dass ich als Schauspieler beklatscht werden möchte. Es geht darum, Themen aufzugreifen, die uns, unsere Gesellschaft und unsere Zukunft betreffen." Wer das sagt, hat von allem etwas: Bodenhaftung, Visionen und Persönlichkeit.

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