Interview Durchblicke und Einblicke für Wohlbefinden und Lernfreude

Architekt Christoph Parade erklärt sein Konzept für die Gesamtschule Barmen.

Interview: Durchblicke und Einblicke für Wohlbefinden und Lernfreude
Foto: Kurt Keil

Prof. Dipl.-Ing. Christoph Parade hat das Gebäude der Gesamtschule Barmen gebaut, das 1998 bezogen wurde. Die Schule hat im Juni 2015 den Deutschen Schulpreis bekommen. Auch das Gebäude wurde schon mehrfach ausgezeichnet: Es erhielt u.a. 2001 den Architekturpreis des Bundes Deutscher Architekten für vorbildliche Architektur und eine internationale Auszeichnung der OECD. Christoph Parade ist überzeugt, dass auch gerade die architektonische Gestaltung ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Schule ist.

Interview: Durchblicke und Einblicke für Wohlbefinden und Lernfreude
Foto: Sergej Lepke

Herr Professor Parade, was ist das Besondere am Gebäude der Gesamtschule Barmen?

Christoph Parade: Wir haben nicht nur die städtebauliche und architektonische Lösung, sondern insbesondere auch die Bedürfnisse von Lehrern und Schülern in den Mittelpunkt gestellt, auch die von rollstuhlfahrenden und solchen mit erhöhtem Förderbedarf. Dadurch wurden Unterrichtsräume und Bereiche geschaffen, deren Atmosphäre das Wohlbefinden und die Lernfreudigkeit fördert. Und weil für die Schüler und Schülerinnen die Ganztagsschule praktisch das zweite Zuhause ist, hatten wir die Aufenthaltsqualität besonders im Auge.

Wie haben Sie diese Aufenthaltsqualität erzeugt?

Parade: Wir haben viele Aspekte berücksichtigt, bis hin zu Tageslicht in allen Bereichen. Die Maxime: Helligkeit statt dunkler und nur künstlich beleuchteter Flure. Die versetzten Ebenen mit Haltepunkten zum Verweilen und Gucken, mit immer neuen Perspektiven, Durchblicken und Einblicken schaffen Luftigkeit und Großzügigkeit im gesamten Gebäude. Diese scheinbar nutzlosen Bereiche sind Orte für spontane Treffen, selbstständiges Lernen oder Gruppenarbeiten. So auch die Caféteria oder die Sitzstufen, sowohl am Teich als auch in der begrünten Pausenhalle. Die vielen Pflanzen sind Teil des umfassenden ökologischen Konzeptes. Besondere Aufenthaltsqualität hat die Bibliothek inmitten des Teiches mit der Leseterrasse am Wasser und Blick zur Schwebebahn. Der Brunnen in der Halle mit seinem beruhigenden Plätschern hat sich unter dem Stichwort Wohlfühlen ebenfalls als Anziehungspunkt erwiesen. Ganz ohne aufwendige Technik verbessert er zudem das Raumklima. Auch die Gestaltung des Außenraums — gerade in innerstädtischer Lage — ist sehr wichtig für das Wohlbefinden. Schulhöfe mit asphaltierten, pflegeleichten, „funktionell“ ausgerichteten Flächen entsprechen eher den merkantilen Anforderungen von Reinigungsfirmen, als dem Bedürfnis von Schülern und Schülerinnen nach Aufenthaltsqualität.

Wie haben Sie es geschafft, so eine Schule zu bauen?

Parade: Unser konzeptioneller Ansatz aus dem europaweiten Architektenwettbewerb, ein ökologisches und erlebnisreiches Gebäude zu formen, wurde vor allem auch von der Schule mitgetragen. Dies hat sich gelohnt. Erst schafft der Architekt einen Raum, dann beeinflusst der Raum die Kinder. Ein paar Beispiele hierzu: Treppenhäuser müssen wegen des Brandschutzes abgeschlossene Räume sein. Das fördert nicht die Kommunikation. Aber eigentlich könnten ja Treppen offene Räume mit Blickbeziehungen sein und keine Tunnel, in denen man plötzlich verschwindet. Deshalb haben wir zum Beispiel Schiebetore eingebaut, die sich nur im Brandfall schließen. Ähnlich verhielt es sich mit dem Thema Regenwasserteich: Da gab es zunächst die übliche Befürchtung, dass die Schüler dort „ohnehin nur Müll hineinwerfen“ würden. Aber in der Realität ist inzwischen der regelmäßige und kostenfreie „Teich-Säuberungsdienst“ durch die Schülerinnen und Schüler Teil des Schulprogramms. Es ist „ihr“ Teich, ein Beispiel zur Übernahme von Verantwortung für die Umwelt. Und das besonders Erfreuliche bei alle dem: Die Schule war nicht teurer als herkömmliche Schulen dieser Größenordnung.

Ihr Plan für die Schule wurde nicht vollständig umgesetzt.

Parade: Ich will den Schulhof herausgreifen. Er war für einen Ganztagsbetrieb wegen der Grundstücksgröße von Anfang an zu klein. Deshalb hatten wir ihn im Wettbewerb in Richtung Wupper erweitert. Unsere Idee war, diesen zusätzlich als Beginn einer begrünten Uferzone entlang der gesamten Wupper zu verstehen. In dieser Hinsicht ist leider nichts passiert, aber über den Ausbau könnte man jetzt doch nachdenken. Die Schule als Heimat für 1350 Kinder müsste es wert sein. Es wäre ein ungeheurer Schritt, nicht nur die dringend notwendigen Freiflächen für die Schule zu schaffen, sondern dies könnte endlich auch der Startschuss für das „Grüne Band entlang der Wupper“ sein.

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