„Das Flächenpotenzial ist gleich null“

EN-Agentur und IHK kritisieren im Rathaus das Fehlen möglicher Gewerbeflächen und die Erhöhung der Grundsteuer B.

„Das Flächenpotenzial ist gleich null“
Foto: Anna Schwartz

Sprockhövel. Sprockhövel hat es nicht leicht: Für die Bewohner der Revier-Metropolen ist die Stadt am Rande des Ballungsraumes vor allem ein Erholungsraum, für die heimischen Vertreter von Politik und Wirtschaft ein Standort, der überwiegend von der Industrie geprägt ist. Zwischen diesen beiden „Frontlinien“ muss die Stadt mit ihren rund 25 000 Einwohnern einen soliden Wirtschaftskurs steuern. Wie der aussehen sollte, darüber informierten Experten der südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Wirtschaftsförderungsagentur Ennepe-Ruhr (EN-Agentur) am Montagabend den Beirat für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing im Rathaus.

Dass die Anforderungen an den Wirtschaftsstandort Sprockhövel in Zeiten einer immer älter werdenden Bevölkerung zunehmen, machte Christoph Brünger, Leiter des Geschäftsbereichs Standortpolitik, Existenzgründung und Unternehmensförderung bei der IHK, in seinem Vortrag deutlich. Zunächst hob der nach eigenen Angaben bekennende Haßlinghauser die Vorteile der Stadt hervor. Man habe eine „hervorragende Lage im Raum“, viel Grün und eine industriell geprägte Wirtschaftsstruktur. In Sprockhövel gebe es eine hohe Kaufkraft, allerdings nur eine „geringe Kaufkraftbindung“. Will heißen: Viele Bürger kaufen gerne und regelmäßig auch in anderen Kommunen ein.

Womit der IHK-Experte denn auch schnell auf die Defizite des Standortes kam. Die Bevölkerungsgruppe der Menschen mit 65 Jahren und älter sei die stärkste, es falle schwer, junge Menschen, die eine Ausbildung oder ein Studium beginnen, in der Stadt zu halten. Auch bei der Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen gebe es noch Nachholbedarf.

Richtig trübe wurden die Aussichten dann bei dem Thema „Industrie- und Gewerbeflächen“. Es gebe kaum Flächen, die ohne Restriktionen für die Neuerschließung oder Erweiterung von Unternehmen bereit stünden. Zudem erschwere die Topographie die Ausweisung von Gewerbeflächen. „Das Flächenpotenzial in Sprockhövel ist gleich null“, sagte Brünger. Leider wollten die meisten Eigentümer der wenigen zur Verfügung stehenden Flächen die Areale oft nicht verkaufen, bestätigte auch Jürgen Köder von der EN-Agentur.

Die städtische Wirtschaftsförderin Ingrid Döbbelin verwies darauf, dass die Stadt immer wieder das Gespräch mit den Besitzern der Flächen suche. Man habe zudem so viele Nachfragen durch heimische Unternehmen, dass man für auswärtige Firmen kaum Werbung machen müsse. Der FDP-Vertreter im Beirat, Wolfgang Ruoff, warnte davor, die schlechte Situation bei den Gewerbeflächen als „Gebot Gottes“ anzusehen. Der Standort Sprockhövel müsse sich zudem besser vermarkten.

IHK-Vertreter Brünger appellierte an die Politik, mehr „Druck“ gegenüber dem Regionalverband Ruhr (RVR) zu machen, damit im Flächennutzungsplan der Kommune mehr Gewerbegebiete ausgewiesen werden könnten. Der RVR dürfe den Standort Sprockhövel sowie den gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis nicht mehr als „grüne Lunge des Ruhrgebietes“ begreifen.

Kritisch sehen die Experten von IHK und EN-Agentur auch die kontinuierliche Erhöhung der Gewerbe- sowie der Grundsteuer B durch Politik und Verwaltung. Zuletzt wurde eine Anhebung um 90 Punkte auf dann 920 Prozent vorgeschlagen. Diese Art der Steuerpolitik sei „ein Sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen“, mahnte IHK-Mann Brünger. Auch wenn er Verständnis dafür habe, dass Kommunen ihren Haushalt in Ordnung bringen wollten, werde sich diese Art der Steueranhebung „langfristig eher negativ“ auswirken. Sollten kleine und mittelständische Unternehmen eine Expansion planen, würden sie sich angesichts einer solchen Steuerlast eher „woanders hin“ orientieren.

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