Brisante und kuriose Themen 50 Jahre Sprockhövel: Ein Jubiläum geprägt von Wahlkampf und coronabedingten Absagen

Sprockhövel. · Eigentlich war alles angerichtet für das große Stadtfest. Doch dann kam ein Virus, veränderte die Welt und warf alle Pläne über den Haufen.

 Hatte das Logo zum Stadtjubiläum entworfen: Jennifer Rose.

Hatte das Logo zum Stadtjubiläum entworfen: Jennifer Rose.

Foto: Stefan Fries/Fries, Stefan (fri)

50 Jahre Sprockhövel. Das hätte in diesem Jahr mit vielen Veranstaltungen gefeiert werden sollen. Hätte. Aber es kam, wie so vieles in diesem Jahr, anders. Und das, obwohl in einem Wettbewerb eigens für das Stadtjubiläum ein neues Logo entwickelt worden war. Der Entwurf von Siegerin Jennifer Rose – passend zum Leitmotiv ihrer Mutter Claudia Rehage-Fleck „Das grüne Herz am schönsten Fleck“ – sollte Einladungen und Plakate für die Jubiläumsfeiern zieren. Doch dann kam Corona und die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Stadtrechte wurden auf Eis gelegt.

Dass es abseits der Corona-Pandemie dennoch viel zu berichten gab, liegt mitunter auch an den engagierten Vereinen und im Wahljahr auch an der Politik – auf kommunaler Ebene genauso wie auf Landes- oder Bundesebene. Ein Beispiel hierfür ist die zum 1. Januar eingeführte Bonpflicht, die bei Sprockhöveler Einzelhändlern und Kunden auf Unverständnis stieß. Mehr Bürokratie und Aufwand, lauteten die meistgenannte Kritik.

Die Kommunalwahl im September warf bereits im Januar ihre Schatten voraus, nachdem CDU und Grüne ihre Kandidatin für das Amt des Bürgermeisters, Sabine Noll, mit einer überwältigenden Zustimmung von 100 Prozent aufstellten. Ihr Gegenkandidat von SPD, FDP und WfS heißt Volker Hoven, Kämmerer in Sprockhövel.

 Beherrschte einmal mehr die Schlagzeilen: Fuball-Nationalspielerin Lena Oberdorf.

Beherrschte einmal mehr die Schlagzeilen: Fuball-Nationalspielerin Lena Oberdorf.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Nach dem weltweit die ersten 6000 mit Corona infizierten Menschen registriert wurden, rät das Gesundheitsamt im EN-Kreis zu Besonnenheit. Man wolle die Lage beobachten und vertraue auf die Beurteilung des Robert-Koch-Instituts.

Bei der Bekanntgabe der Nominierten der „EN-Sportler 2019“ wird über die Folgen, die Corona einmal haben wird, wohl wenig bis gar nicht gedacht. Immerhin: Mit Sophie Macke (später 2. Platz Sportlerin U18) und Conny Dauben (später 1. Platz, Sportlerin ab 18) dürfen sich zwei Sprockhövelerinnen über Nominierungen und später über Auszeichnungen freuen. Wolfgang Hülssiep wird als Ehrenamtler des Jahres geehrt.

Sportlich soll es auch im Freibad Sprockhövel zugehen. Doch zunächst schlägt der Förderverein Alarm. Es fehlen Schwimmmeister und Kassierer, trotzdem soll die Saison im Mai und möglichst ohne Einschränkungen beginnen.

 Kämmerer Volker Hoven setzte sich für die Idee der Bergbau-Männchen ein.

Kämmerer Volker Hoven setzte sich für die Idee der Bergbau-Männchen ein.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Kritischer wird es dagegen an anderer Stelle im Sport. Die Nachricht, dass die Kreissporthalle in Haßlinghausen für ein Jahr geschlossen bleiben muss, schlägt bei den Vereinen ein. Grund für die Schließung sind Baumaßnahmen zur Sanierung und Verbesserung des Brandschutzes. Die Vereine mühen sich um Ausweichtermine, ehe auch sie den Trainingsbetrieb aufgrund von Corona zwischenzeitlich aussetzen müssen.

Die Polizei stellt ihren Verkehrsunfallbericht vor. In Sprockhövel gingen die Zahlen hoch: Mit 104 verunglückten Personen im Straßenverkehr gab es einen Anstieg um 16 Personen gegenüber dem Vorjahr. Ein Unfall davon ging tödlich aus. Im EN-Kreis gingen die Zahlen dagegen leicht zurück.

Gute Nachrichten für alle Sprockhöveler, die über Jahre die Gerüche von der Schwelmer „Knochenmühle“ ertragen mussten. Das Unternehmen teilt mit, dass es seinen Verwertungsbetrieb zum 30. April einstellen wird.

Weniger gut sind dagegen die Meldungen über die ersten Corona-Infektionen in Sprockövel. Fußball-Landesligist SC Obersprockhövel muss komplett in Quarantäne. Grund dafür ist die Teilnahme eines Funktionärs an einer Skifahrt in Ischgl.

Kurz darauf wird eine weitere infizierte Person bekannt, die Stadt reagiert schnell und sagt alle Feste ab, verfügt darüber hinaus, dass die städtischen Gremien vorerst nicht mehr tagen, sofern keine notwendigen Beschlüsse von ihnen gefasst werden müssen.

Auch wenn die große Feier ausfällt, so ganz ohne Jubiläum geht es nicht. Die Stadt veröffentlicht daher eine Festschrift zum Stadtjubiläum mit einer Auflage von 1500 Exemplaren. Stadtarchivarin Karin Hockamp erhält dafür viel Lob von allen Seiten.

Fortan hält die Corona-Pandemie die Stadt fest im Griff: Rathaus und Bürgerbüros schließen für den Publikumsverkehr, die Elternbeiträge für die Kitabetreuung werden ausgesetzt, Wirte und Gastronomen stehen angesichts des Lockdowns vor einer ungewissen Zukunft. Doch sie reagieren ebenso wie die Einzelhändler spontan und kreativ und rufen Lieferdienste ins Leben, um die Kunden trotzdem bedienen zu können.

Im EN-Kreis erreicht die Zahl der Infizierten die 100er-Marke.

Erneut eine Auszeichnung für eine Sprockhöveler Sportlerin: Fußballerin Lena Oberdorf wird vom weltweit größten Fußball-Portal, goal.com, zur besten Nachwuchsspielerin der Welt gekürt. Das Portal bezeichnet die deutsche Nationalspielerin als „Juwel im Herzen des Deutschen Fußballs“.

Immer mehr zeigen sich die Auswirkungen der Pandemie. So rechnet die Stadt mit einem erheblichen Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen. Kämmerer Volker Hoven überlegt deshalb, einen Nachtragshaushalt zu beantragen. Dieser ermöglicht es den Städten, im Rahmen eines Sondervermögens weitere Kredite aufzunehmen, um ihre Ausgaben zu decken.

Obwohl im städtischen Haushalt Mindereinnahmen drohen, will die Stadt Sprockhövel 15 Millionen Euro in einen attraktiveren Busbahnhof in Haßlinghausen und dessen Umfeld investieren. Möglich machen das Fördertöpfe des Landes.

Fortschritte machen zudem die Planungen für eine Nachnutzung des ehemaligen Kiosks am Niedersprockhöveler Busbahnhof. Er soll als gemeinsamer Standort von Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung genutzt werden.

Inzwischen wird immer klarer, dass im September die Kommunalwahl ansteht. „Parteien schalten im Stadtrat in den Wahlkampfmodus“ titelte die WZ am 9. Mai – nach der ersten Ratssitzung in der Glückauf-Halle, bei der Bürgermeister Ulli Winkelmann sagt: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eine Ratssitzung leiten werde.“

Kuriose Nachricht abseits der Pandemie: Der VfL Gennebreck bittet um Unterstützung bei der Suche nach der vereinseigenen „Kult-Kuh“. Die Kuh ist in Sprockhövel das, was der Pinguin in Wuppertal oder der Löwe in Remscheid ist. Sie wurde in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai vor dem Vereinsheim des VfL Gennebreck entwendet, dabei über einen zwei Meter hohen Zaun gehoben.

Fußballerin Lena Oberdorf bestimmt weiter die Schlagzeilen, weil sie innerhalb der Bundesliga von der SGS Essen zum VfL Wolfsburg wechselt. Als Nationalspielerin ist sie zudem in der beliebten Videospielreihe „FIFA“ von EA Sports vertreten.

Mit dem Spitzbub öffnet eine gastronomische Institution unter einem neuen Betreiber. Heiko Lesszinsky will an der Elberfelder Straße 120 wieder gutbürgerliche Küche anbieten.

Abseits steigender Corona-Infiziertenzahlen gibt es auch positive Nachrichten: Der Verein Bergbauaktiv schlägt vor, die grünen Ampelmännchen durch Bergmänner zu ersetzen. Eine Idee, die bei der Stadt und in den Sozialen Netzwerken viel Anklang findet.

Die Corona-Schutzvorgaben des Landes stellen Sprockhövels Schulen vor eine Herausforderung. Grund dafür ist, dass die Vorgaben des Landes relativ spät an die Schulen verschickt worden sind, einzelne Lehrer zudem zu den Risikogruppen gehören.

Unschöne Szenen vor dem Freibad Sprockhövel: Am Wochenende vor dem 11. August kommen große Massen, um im kühlen Nass bei den großen Hitzetagen etwas Abkühlung zu finden. Maximal 250 Menschen dürfen sich nach den Coronaregeln im Bad aufhalten, teilweise warten jedoch 150 weitere Gäste vor dem Bad. Teilweise wurden Parolen wie „Es gibt doch gar kein Corona“ skandiert.

Sabine Noll und Volker Hoven zeigen bei Podiumsdiskussion verschiedener Institutionen ihre Kompetenzen, begegnen sich dabei sachlich. Meinungsverschiedenheiten werden trotz allem sichtbar.

Kurz vor der Wahl sorgt eine Online-Petition für den Erhalt des Gangelshauser Waldes für Schlagzeilen. Ein Bürger hatte die Petition ins Netz gestellt und darauf hin Post von Volker Hoven erhalten, der diese in ihrer ursprünglichen Fassung verhindern wollte.

Bei der Wahl setzt sich Sabine Noll deutlich gegen Volker Hoven durch, erzielt 57,9 der abgegebenen Stimmen. Auch ihre Unterstützer-Parteien CDU und Grüne können sich über einen Wahlsieg freuen, holen sie mit 31,8 und 24,8 Prozent doch die Mehrheit im Stadtrat. SPD (26,6) und FDP (8,8) folgen auf den Plätzen.

Der Stadtrat zeigt klare Kante gegen Rassismus, lässt an den zehn Ortseingangs- und Ausgangsschildern der Stadt die Botschaft „Sprockhövel hat keinen Platz für Rassismus“ anbringen. Der scheidende Bürgermeister Ulli lässt es sich nicht nehmen, die Botschaften mit anzubringen.

Der EN-Kreis verzeichnet den 16. Todesfall in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Heute, rund drei Monate später, stehen wir bei 138 Toten.

Die Stadt Sprockhövel trauert um ihren ehemaligen Bürgermeister Paul Gerhard Flasdieck, der am 29. Oktober im Alter von 78 Jahren verstorben ist.

Was lange währt, wird endlich gut? Dieses Sprichwort lässt sich auf die Situation der Postbank-Filiale in Niedersprockhövel nicht anwenden. Kunden haben dort immer wieder mit unangekündigten Schließungen aufgrund von Personalmangel zu kämpfen, die schließlich auch den FDP-Landtagsabgeordneten Bodo Middeldorf auf den Plan rufen. Er beschwert sich beim Unternehmen über die Zustände. Die Postbank zieht schließlich die Reißleine und schließt die Filiale.

Der neu gewählte Stadtrat kommt zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen und strapaziert durch lange Redebeiträge der Partien die Geduld der Besucher.

Die Corona-Situation an den Schulen schlägt Wellen. Schüler tragen nicht mehr nur Masken im Unterricht, sondern auch Jacken und Decken, weil die Zimmer regelmäßig gelüftet werden müssen.

Zum Jahresende bestimmen ähnliche Themen wie zum Jahresanfang die Schlagzeilen. Bürgermeisterin Sabine Noll erfährt, dass nicht alle gut gemeinten Vorschläge als solche wahrgenommen werden. Der Vorstoß zur Abschaffung des Seniorenbeirats zugunsten eines Ausschuss stößt auf erheblichen Widerstand, so dass der Beirat bestehen bleiben kann.

Erfreuliche Nachrichten gibt es derweil aus dem Standesamt, wo das Trauzimmer nach einer Renovierung ein noch schöneres Ambiente vermittelt.

Und auch eine Auszeichnung gibt es zum Ende des Jahres: Die Bürgergemeinschaft freut sich über das „Engagement des Monats Dezember 2020“ und hofft auf eine Auszeichnung als „Engagierte Nachbarschaft“ der NRW-Stiftung. gob

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