Ferienalphabet U wie Uhrmacher Mit viel Geduld die Uhr wieder zum Ticken bringen

Kempen. · Thomas Pannenberg ist Uhrmacher in Kempen. Am liebsten bringt er alte mechanische Uhren wieder zum Laufen. Dabei sind Geduld und eine ruhige Hand gefragt.

 Thomas Pannenberg repariert eine alte Tischuhr, die nicht mehr funktioniert.

Thomas Pannenberg repariert eine alte Tischuhr, die nicht mehr funktioniert.

Foto: Marc Schütz

(msc) Plötzlich riss das Stahlarmband, die Uhr fiel hinunter und landete mit der empfindlichen Krone auf dem Boden. Nun läuft die Armbanduhr nicht mehr, und die aufgesetzten Ziffern „1“ und „2“ haben sich vom Zifferblatt gelöst. Was nach Totalschaden aussieht, ist für den erfahrenen Uhrmacher Thomas Pannenberg aus Kempen aber kein Problem. „Mit 25 bis 30 Euro müssen Sie rechnen“, beruhigt der 59-Jährige seinen erleichterten Kunden. Bei der Uhr einer anderen Kundin hat sich das Zifferblatt durch einen Schlag verbogen, und das Quarzwerk hat seinen Dienst quittiert. Auch diese Uhr wandert in eine kleine Papiertüte, um später, wenn das neue Uhrwerk geliefert ist, von Pannenberg repariert zu werden. Einen Batteriewechsel für einen weiteren Kunden nimmt er kurz
dazwischen.

Solche Reparaturen sind das Alltagsgeschäft von Thomas Pannenberg, machen etwa die Hälfte seiner Zeit aus. Er erledigt sie mit Hingabe und Genauigkeit, doch sein Herz schlägt für die komplizierteren Fälle. Mechanische Uhren – ob Tisch-, Stand- oder Armbanduhren –, deren Uhrwerke oft aus mehreren Hundert Einzelteilen bestehen, wieder ans Laufen zu bekommen, reizt ihn sehr. „Das älteste Stück, das ich in den Händen hatte, stammte aus dem Jahr 1648. So etwas wieder zum Leben zu erwecken, ist eine tolle Sache“, sagt Pannenberg. „So eine Uhr erzählt eine Geschichte.“

Reparaturen mechanischer Uhrwerke sind kompliziert

Viele der Stücke, die ihm anvertraut werden, haben zwei Weltkriege überstanden, sind durch viele Hände gegangen – und selbst wenn sie materiell nicht besonders wertvoll sind, haben sie für ihre Besitzer einen hohen emotionalen Wert. „Ich frage dann immer, ob meine Kunden die Reparaturkosten überhaupt noch investieren wollen. Aber wenn schöne Erinnerungen an Erlebnisse oder liebe Menschen damit verbunden sind, ist Geld für viele zweitrangig.“ Besonders teuer wird es, wenn Ersatzteile nicht mehr lieferbar sind. Denn dann muss der Uhrmacher improvisieren oder die Teile aufwendig nachfertigen. Dabei sind Geduld, Fingerspitzengefühl und gute Augen gefragt.

Je komplizierter die Aufgabe, umso größer ist seine Begeisterung. Und kompliziert sind mechanische Uhrwerke, wie es sie ausschließlich gab, bis das batterie- und motorbetriebene Quarzwerk die mechanischen Uhren in den 70er-Jahren verdrängte, zweifellos. Einmal ein Tourbillon-Uhrwerk (ein aufwendiges Schwing- und Hemmungssystem, das sich um seine eigene Achse dreht) oder einen ewigen Kalender, der das Datum die nächsten Jahrhunderte korrekt anzeigt, reparieren zu dürfen, wäre sein Traum. Aber solche Uhren kosten Hunderttausende Euro und werden meist beim Hersteller in der Schweiz oder in Glashütte in Sachsen, der deutschen „Metropole“ für hochwertige Uhren, gewartet oder repariert.

Eine bewusste
Entscheidung für Kempen

Pannenbergs Kunden kommen mit ihren Stücken aber durchaus aus aller Welt, denn Uhrmacher wie er sind inzwischen selten geworden. Denn auch wenn man als Uhrmacher oft hochpreisige Uhren in den Händen hält, kann man mit dem Beruf nicht reich werden. Nachdem der gebürtige Düsseldorfer Thomas Pannenberg seine Uhrmacherlehre im Betrieb seines Onkels in Neuss absolviert und zehn Jahre in diesem Beruf gearbeitet hatte, schulte er um und arbeitete viele Jahre als Elektroniker, im Marketing und später als Trainer in der Industrie. „Ich bin aber mit der Ellenbogen-Mentalität nicht klargekommen und habe mich entschieden, mich als Uhrmacher selbstständig zu machen. Ich verdiene jetzt zwar weniger, bin aber wesentlich
zufriedener.“

Den Raum für seine kleine Werkstatt fand er in einem Ladenlokal in der Alten Schulstraße, wo sie vom Flair her perfekt hinpasst. Dabei ist der Standort eher Zufall, denn „das Geschäft war das kleinste Ladenlokal, das ich gefunden habe“, sagt Pannenberg ganz pragmatisch. Für Kempen habe er sich aber bewusst entschieden. „Kempen ist eine der schönsten Städte Deutschlands. Ich kann das sagen, denn ich habe viele Städte kennengelernt“, sagt Pannenberg voller Überzeugung. Und sein Lieblingsuhrwerk? „Das ETA 2824. Das ist solide, ausgereift und unkaputtbar.“ An seinem Handgelenk tickt es in einer Uhr der Firma Dugena aus den 80er-Jahren.

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