Albert Oehlen Albert Oehlen: Der unbekannte Kunst-Star

Krefeld · Interview Er gehört zu den umsatzstärksten Künstlern der Welt. Geboren ist er in Krefeld, seine Werke sind momentan in der Düsseldorfer Kunsthalle zu sehen.

 Albert Oehlen vor einem Werk aus der aktuellen Ausstellung „Bäume/Trees“, die in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Maler Carroll Dunham entstanden ist. Die Arbeiten sind in der Kunsthalle Düsseldorf am Grabbeplatz 4 noch bis Sonntag, 1. März 2020, zu sehen.

Albert Oehlen vor einem Werk aus der aktuellen Ausstellung „Bäume/Trees“, die in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Maler Carroll Dunham entstanden ist. Die Arbeiten sind in der Kunsthalle Düsseldorf am Grabbeplatz 4 noch bis Sonntag, 1. März 2020, zu sehen.

Foto: Helga Meister

Albert Oehlen, Jahrgang 1954, ist wie sein zwei Jahre jüngerer Bruder Markus in Krefeld geboren. Er machte eine Lehre als Buchhändler und studierte 1977 bis 1981 bei Sigmar Polke in Hamburg. In den frühen achtziger Jahren begann sein Siegeszug durch die deutsche, später auch internationale Kunstlandschaft. Gemeinsam mit Weggefährten wie Martin Kippenberger und Werner Büttner stieß er anfangs mit Vorliebe Kuratoren, Künstler und Sammler vor den Kopf. Die Bilder sollten der tot gesagten Malerei einen weiteren Stoß versetzen. Seitdem hat er eine erstaunliche künstlerische Wandlung durchgemacht. Heute lebt er mit seiner Frau Esther Freund in der Gemeinde Gais im Appenzeller Land und wird nicht nur von seinem Stammgaleristen Max Hetzler, sondern auch vom US-Stargaleristen Larry Gagosian vertreten. Er gilt als einer der wichtigsten Maler seiner Generation. Dennoch ist er so unbekannt, dass die Vernissage-Gäste in der Düsseldorfer Kunsthalle meinten, er sei gar nicht da, obwohl er neben ihnen stand.

Dass er im Baum ein zentrales Thema sehen könnte, hätte man ihm in seiner Zeit als „Neuer Wilder“ nicht geglaubt. Er zeigt das Motiv ohne Landschaft, räumliche Tiefe, Perspektive und Volumen. Wie seziert liegt der Stamm mit dunklen Ästen und Wurzelwerk auf der weiß gestrichenen Alu-Platte.

Der WZ gelang eines der seltenen Interviews, die er je gegeben hat. Dabei erstaunte seine Höflichkeit, seine Offenheit und seine Freundlichkeit.

Herr Oehlen, Sie haben einen gleichfalls berühmten Bruder, den zwei Jahre jüngeren Markus, Professor in München. Wie kommt es zu zwei Künstlern in einer Familie? Haben die Eltern mit Kunst zu tun?

Albert Oehlen: Mein Vater Adolf Oehlen war Künstler, Grafiker und Zeichner. Er ist schon lange tot. Mein Bruder war eher als ich auf der Bühne. Er hat vor mir studiert und hat mich 1977 oder 1978 in seine erste Ausstellung bei Konrad Fischer im kleinen Raum der Neubrückstraße in Düsseldorf reingenommen. Wir haben sie zusammen gemacht, obwohl er eingeladen war. Das war ein Spaß für uns beide.

Sie sind in Krefeld geboren. bis wann waren Sie dort?

Oehlen: Bis zum 19. Lebensjahr.

Sie sind also nach dem Abitur weggegangen?

Oehlen: Ohne Abitur.

Viele gute Künstler machten ohne Abi ihren Weg. Wo haben Sie in Krefeld gewohnt?

Oehlen: Als Kind in der Innenstadt, dann in Fischeln, dann wieder in der Innenstadt.

Wie fanden Sie die Stadt?

Oehlen: Interessant. Ich habe die Treffpunkte in schöner Erinnerung, wo sich eine zusammengehörige, studentische, linke Szene beim Griechen Zorbas oder in der Bierstube Prior getroffen hat. Aber das ist ja hundert Jahre her. Und dann war UdU, Unter der Uhr, der Treffpunkt am Ostwall für alle Schüler nach der Schule. Da trafen sich 100 oder 200 Schüler vor dem Nachhause-Gehen.

Und haben Alkohol getrunken?

Oehlen: Nein. Man hat draußen an der Straßenbahnhalte (Rheinstraße) geredet. Ich war im Arndt-Gymnasium, aber am UdU trafen sich auch Schüler aus anderen Gymnasien.

Ihr Bruder erzählte mir, dass Sie beide als Schüler gern bei Hans Mayer vorbeischauten, der seine erste Galerie am Ostwall hatte und im Untergeschoss kinetischen Lichtobjekte zeigte. War das ihre erste Berührung mit der Kunst?

Oehlen: Ob das die erste Berührung war, weiß ich nicht. Aber wir sind nach der Schule gern da hingegangen. Er hatte zwei Geschosse, das Erd- und das Untergeschoss.

Das war spannend und spielerisch schön?

Oehlen: Ja, auf jeden Fall. Ja.

Sie haben in Hamburg bei Sigmar Polke studiert. Es heißt, Sie hätten gar nicht gewusst, dass er Maler ist?

Oehlen: Ja, das ist richtig. Das ist doch eine Frage der Definition. Er hat auch andere Sachen gemacht. Außerdem hatte die Frage, ob Maler oder nicht Maler, gar nicht so eine Bedeutung. Damals war man von Beuys beeindruckt. Ich weiß gar nicht, wer sich als reiner Maler bezeichnete. Da gab es nicht so viele. Maler zu sein war ja gar nicht nötig.

Es war die Zeit des Aufbruchs. Sie haben sehr viele Gemeinschaftsarbeiten mit Martin Kippenberger gemacht. Kann man im Duo besser über Malerei nachdenken? Was haben Sie gemeinsam so gemacht?

Oehlen: Wir haben immer geredet, und dann haben wir halt zusammen gemalt. Was da im Detail war, weiß ich nicht mehr.

Bemerkenswert ist Ihre Treue zu Max Hetzler, der nach einer Kunsthändlerlehre als Assistent zu Hans Mayer ging, um anschließend in Stuttgart mit Hans-Jürgen Müller eine Galerie zu eröffnen. Sie hatten 1981 Ihr Studium gerade beendet, als Sie bei Hetzler erstmals ausstellten. Meistens wechseln Künstler den Galeristen, sobald sie sich vom nächsten mehr versprechen. Warum sind Sie bei Hetzler geblieben?

Oehlen: Ja, das war gut.

Neun Jahre waren Sie Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Die jungen Leute erzählen mir, wie intensiv und anstrengend diese Kolloquien waren. Es konnte sein, dass Sie minutenlang und länger geschwiegen haben. War das so?

Oehlen: Ich habe die Kolloquien nur moderiert, ich wollte, dass die Studenten selber reden. Sie haben es getan. Oder es gab Schweigen. Das haben sie als anstrengend empfunden. Ich wollte nicht referieren und beurteilen. Und sie sollten auch nicht beurteilen, sondern nur sagen, was sie sehen oder welche Zusammenhänge sie finden.

Sie haben sie gemeinsam für den Rundgang malen lassen. Das muss hart gewesen sein. Sie konnten sich in all dem Rummel nicht profilieren?

Oehlen: Ja, das stimmt. Es gab vereinzelt Enttäuschungen, weil die Leute dachten, das sei ihre erste Ausstellung. Das war für sie vielleicht eine Belastung oder Anstrengung.

Inzwischen hat die Truppe aber auch Erfolg. In der Bonner Ausstellung „Junge deutsche Malerei“ wird man gleich im ersten Saal von unglaublich schönen Bildern von Frintrop, Breuning und Jana Schröder begrüßt. Ist das auch ein Hymnus an Sie?

Oehlen: Ja, das freut mich natürlich.

Nun zu Ihrer Ausstellung in Düsseldorf. Sie konzentrieren sich schon seit 1988 auf die Strukturen des Baumes. Ist der Baum für Sie etwas ganz Wichtiges? Ist er ein Sinnbild?

Oehlen: Ich bin einer, der mit Symbolen nichts zu tun haben will, der das irgendwie vermeiden will. Da ich aber nichts darstelle und abbilde, sondern einfach nur das, was den Baum ausmacht, auf die knappste Formel bringe, um den größtmöglichen Freiraum zu finden, wird es zum Symbol.

Das hört sich widersprüchlich an. Sind Ihre Bäume Sinnbilder wider Willen?

Oehlen: Ja, es war ja nicht geplant. Im Prinzip wollte ich abstrakte Bilder machen, denn irgendetwas muss man ja tun. Ich dachte mir, ich male mal jetzt nach der Formel. Ich kümmere mich nicht um die Komposition. Ich fange mit der Leinwand an, und zwar in der Mitte, also im Zentrum dessen, was dann ein Baum wird und nach außen geht. Ich habe es wachsen lassen.

Im Zentrum des Baumes arbeiten Sie mit viel Schwarz, manchmal samtig, manchmal merkwürdig stumpf. Die meiste Farbkraft ist beim Baum. Wie sehen Sie die Farbe?

Oehlen: Ich habe keine konkrete Vorstellung, was ich da erreichen möchte. Es ist eher so, dass ich in den Begrenzungen das Maximale raushole. Ich freue mich über bestimmte Sachen, die entstehen. Worüber ich mich nicht freue, das verschwindet wieder.

Die Bilder sind hoch. Legen sie die Alu-Platten plan auf den Tisch?

Oehlen: Nein, die großen Platten bemale ich quer, damit ich rankomme. Dafür muss ich immer den Kopf schief legen.

Da müssen Sie aber genau wissen, was Sie wollen?

Oehlen: Zwischendurch mache ich ein Foto, das kann ich gerade aufrichten. Ich arbeite ja sehr langsam. Es ist nichts schnell runtergemalt. Ich mag diesen langsamen Prozess. Ich mag auch die Behinderung, dass das Bild quer liegt, weil man sich dann eine Arbeit auf zwei Arten anguckt, nicht nur auf eine.

Wie malen Sie? Benutzen Sie einen breiten Pinsel?

Oehlen: Nein, ich klebe ab, aber nicht immer. Äste sind auf sehr verschiedene Art hergestellt. Mit großem Lineal. Ich mache mit Schnüren Kurven. Es gibt Äste, die sind ein komischer Zwitter, weil die eine Seite sehr konstruiert und die andere Seite einfach mit der Hand gemalt ist. Die letzte Schicht ist auch abgeklebt. Die Farbe ist sehr widerspenstig. So gibt es je nach Herstellungsweise unterschiedliche Charakteristika.

Nun zu Ihrem Standort Gais, wo liegt das denn?

Oehlen: In der Schweiz, kurz vor Appenzell, tausend Meter hoch.

Da gibt es noch Bäume?

Oehlen: Ja, unterhalb der Baumgrenze. Aber in den Hochgebirgsregionen gibt es keine mehr.

Und warum Gais, ein Ort mit 3300 Seelen?

Oehlen: Meine Frau kommt aus dem Nachbardorf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort