Kabarett „Deutschland ist ein Land der Klugscheißer und Jammerlappen“

Krefeld · Ein streitbarer Dieter Nuhr attackiert Populismus und Hass und legt sich sogar mit einer Besucherin an – Satire, Biss und Humor im Überfluss.

 Dieter Nuhr präsentierte sein Programm „Kein Scherz“ in der Yayla-Arena.

Dieter Nuhr präsentierte sein Programm „Kein Scherz“ in der Yayla-Arena.

Foto: Andreas Bischof

Mit zunehmendem Alter sollte man ja ruhiger und weiser werden, meint Dieter Nuhr am Sonntagabend in der vollbesetzten Yayla Arena. Bis zur Pause hatte es den Anschein, dass dies auch auf ihn zutrifft. Gewohnt satirisch-bissig, nachdenklich stimmend und höchst unterhaltsam spulte er sein Programm „Kein Scherz!“ ab.

Das Leben sei kein Witz, solle aber trotzdem Spaß machen. „Nuhr widersetzt sich dem Zeitgeist dauernder Erregung, seziert unser mediengestörtes Weltbild und hält mit entwaffnender Unaufgeregtheit dagegen“, hieß es in seiner Vorankündigung. Das gelang ihm auch großartig. Nach der Pause genügte allerdings ein kurzer Zwischenruf einer Besucherin, um den Kabarettisten aus der Reserve zu locken. „Das ist mir zu einfach“, sagte sie, nachdem Nuhr auf seinen medialen Shitstorm reagiert hatte, der ihn nach einer Kritik an Umweltaktivistin Greta Thunberg in den letzten Wochen ereilte.

Danach hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Gespannt lauerte das Publikum auf die Reaktion Nuhrs. Und die kam wie ein Donnerhall. Nuhr – streitbarer denn je – nahm sich Zeit für einen Parforceritt durch Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Zunächst einmal rückte er gerade, was ihm eine Zeitschrift unterstellt hatte und wofür sich diese bereits öffentlich entschuldigt hatte. Nein, er habe Greta nicht beleidigt. Und nein, sein satirischer Witz, Greta und seine Tochter müssten künftig auf das Heizen des Kinderzimmers verzichten, sei nicht ernst gemeint gewesen. Und ja, es sei das Recht der Jugend, für den Klimaschutz einzutreten. „Fridays for Future“ habe auch dazu geführt, die Politik aufzurütteln, lobte er das jugendliche Engagement ausdrücklich.

Aber von einer 16-Jährigen und deren Gleichaltrigen könne man nun einmal nicht verlangen, dass sie die globalen Zusammenhänge in vollem Umfang einschätzen können. Nuhr brennt ein wahres Feuerwerk an Argumentation und Zahlenbeispielen ab. Solange die Kohlendioxid-Großverschmutzer China, Indien und USA nicht mitmachen, sei der Anteil Deutschlands mit zwei Prozent am Weltanteil marginal, und das deutsche Bemühen um eine Temperaturreduzierung beliefe sich maximal auf 0,001 Grad Celsius.

Wenn deutsche Kohlekraftwerke übereilt abgeschaltet würden, sei das unwirtschaftlich und koste Arbeitsplätze, während China schneller neue baue, als wir jemals abschalten könnten, denkt er über nationale Grenzen hinaus. Und wünscht sich Uno-Mitglieder, die Greta nicht kritiklos applaudieren, sondern ihr die Zusammenhänge erklären.

Wer das nicht glaube und anderer Meinung sei, könne das gerne mit ihm diskutieren und wenn er sich irre, sei er der erste, der sich korrigiere, gewinnt Nuhr seine Souveränität zurück. „Wir können es nicht erwarten, die Welt zu retten, aber das ist zu viel für uns Deutsche im Land der Klugscheißer und Jammerlappen. Die Welt will von uns gar nicht gerettet werden. Spätestens vor Moskau sind wir bisher immer gescheitert – übrigens am Klima“, fand er unter Riesenbeifall des offenbar mehrheitlich ähnlich denkenden Publikums zurück zu seinen Lieblingsthemen mit hintergründigem Humor.

Schließlich würden ganz andere Sachen über das Leben entscheiden. Zum Beispiel, ob jemand mit dem Diesel oder dem Lastenfahrrad zum Krankenhaus gebracht werde. Kommentar: „Der ganze Verbotszirkus bringt uns nicht weiter.“ Schon im Kindergarten entscheide sich, wer sich später durchsetzt. „Das Eimerchen bekommt der, der mit dem Schippchen am heftigsten draufhaut – unterstützt von den Eltern.“ Wenn die Kindergärtnerin anordne, dass die Jungs mit Puppen und die Mädchen mit Baggern spielen und kurz danach zurückkomme, hätten längst alle die Spielsachen getauscht. Um sich dann den Genderismus als Gegenteil jeglicher Toleranz zur Brust zu nehmen. „Ich beschwere mich doch auch nicht, dass der Idiot männlich ist.“ Der angstfreie Streiter gegen jede Art der Unterdrückung macht seine Einstellung mit folgendem Zitat wohl am besten deutlich: „Toleranz ist nicht, die Intoleranz der anderen zu tolerieren.“

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