Priester werden – trotz allem

Kirche: Andreas Süß ist Düsseldorfs jüngster Kaplan. Seit September ist er im Einsatz – ein Start in schwierigen Zeiten.

Düsseldorf. "Ich mache hier keine Werbung für Persil, sondern für dich. Also hilf’ mir, die richtigen Worte zu finden." Wenn Andreas Süß in seiner Gemeinde in Garath unterwegs ist, dann schickt er immer mal wieder ein Stoßgebet gen’ Himmel und bittet um Unterstützung. Der 34-Jährige ist Düsseldorfs jüngster Kaplan. Mit seinem Start ins Berufsleben ist er in eine der schwersten Krisen der katholischen Kirche geraten.

Ursprünglich hatte Andreas Süß einen anderen Weg eingeschlagen. In Köln hat er Betriebswirtschaft studiert, Praktika bei Banken und Wirtschaftsprüfern gemacht. "Dann habe ich erkannt, dass dies nicht das Richtige für mich ist." Messdiener war er lange und hat ein christliches Gymnasium besucht. Aber gleich Pfarrer werden? "Ich habe mich an meinen Zivildienst beim Roten Kreuz erinnert. Das war eine bewegende Zeit für mich. Zu sehen, dass sich ein Leben in nur einer Sekunde drastisch ändern kann, zum Beispiel durch einen Unfall."

Da habe er erkannt, dass es Wichtigeres gibt als die Welt von Banken und Geld. Sein ganzes Leben will er lieber der Unterstützung anderer widmen. Wirklich gewundert habe sein Kurswechsel zu Hause in Monheim niemanden. Schon auf dem Gymnasium hieß es "Der Andreas wird bestimmt mal Pfarrer".

Damit ist er in einen 24-Stunden-Job eingestiegen. Per Fahrrad ist er in der Gemeinde unterwegs, will ansprechbar sein. Auch, um als Kirche zu überzeugen. Seitens der Kirche sei nicht richtig rübergekommen, dass Gott niemand ist, der die Menschen einschränke. "Wir dürfen nicht warten, dass die Leute zu uns kommen. Wir müssen sie abholen und neue Formen der Glaubensvermittlung finden."

Die Rufe nach Abschaffung des Zölibats will er aus praktischen Gründen nicht unterstützen: "Der Zölibat zeigt, dass wir uns körperlich und geistig opfern. Ansonsten würde einer darunter leiden, entweder die Familie oder die Gemeinde. Für beides reicht die Zeit nicht." Wenn er mal Zeit hat, dann widmet er sich weltlichen Dingen - nämlich Putzen. "Wir müssen alle ein bisschen Hausmann sein. Die Zeiten, in denen jeder Pfarrer eine Haushälterin hatte sind vorbei", erzählt er lachend. Wenn Süß eine Auszeit braucht, dann geht er wandern.

Vieles am natürlichen Umgang mit den Gemeindemitgliedern hätte durch die Missbrauchsfälle Schaden genommen. "Besonders, weil es eine Vertrauenskrise ist. Das hat in der Kirche Kollektivwirkung." Aus seinen eigenen Gefühlen macht Süß keinen Hehl: "Die Kirche ist meine Familie. Und wenn sich mein Bruder an Kindern vergeht, dann tut das weh." Bisher habe man das Problem unterschätzt. "Der Umgang war geprägt durch falsche Rücksichtnahme. Es ist wichtig, dass die Täter nach kirchlichem und weltlichem Recht die Konsequenzen tragen müssen."

78 Kommunionkinder hat St. Matthäus in diesem Jahr. Gemeinsames Basteln und Ausflüge stehen auf der Tagesordnung. Aber auch auf den Umgang mit den Jungen und Mädchen werfen die Missbrauchsfälle ihren Schatten. "Ich würde zum Beispiel nicht mit ihnen schwimmen gehen." Mit allen Eltern führt Süß ein persönliches Gespräch, vielleicht auch, um die Kollektivwirkung zu vermeiden. Inspiriert durch den Weltjugendtag, ist er Mitinitiator von Nightfever, eine regelmäßige Veranstaltung für junge Christen (nächster Termin ist der 29. Mai, 17.30 Uhr in St. Lambertus). "Für uns ist es momentan keine schöne Zeit. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass die Krise all das Gute was wir machen, in den Schatten stellt."

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