Debatte um „Haus der Kulturen“ Haus der Kulturen: Leuchtturm oder Migrationszentrum?

Düsseldorf · Analyse Was gewinnt die Stadt, was verliert der Stadtteil, wenn das Junge Schauspiel ins Central abwandert? Was bringt die interkulturelle Begegnungsstätte?

 Bei der letztjährigen Eröffnung des Kunstprojekts „Von fremden Ländern in eigenen Städten“ erklärte Wilfried Schulz (r.), dass er weiterhin Theater im Central machen wolle.

Bei der letztjährigen Eröffnung des Kunstprojekts „Von fremden Ländern in eigenen Städten“ erklärte Wilfried Schulz (r.), dass er weiterhin Theater im Central machen wolle.

Foto: Katja Illner

Über ungelegte Eier spricht man nicht – was eigentlich schade ist. Ein ungelegtes Ei ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für Dinge, die noch nicht ausgebrütet sind. Hier geht es um das „Haus der Kulturen“, das dem internationalen Image der Landeshauptstadt gut zu Gesicht stehen soll. Im selben Atemzug geht es um das Junge Schauspiel, das von der Münsterstraße ins Central am Hauptbahnhof ziehen soll, um dem neuen Institut in Mörsenbroich Platz zu machen. Wir beleuchten die Ansichten, Meinungen und Forderungen von Politik und Verwaltung, aber auch die Interessen der Menschen im Stadtteil:

Der Auftakt Die erste Idee zum Bäumchen Wechsle dich des Jungen Schauspielhauses von der Münster- zur Worringer Straße hatte Schauspiel-Intendant Wilfried Schulz. Er stand auf dem Balkon des Central zur Eröffnung der Markus Ambach Projekte „Von fremden Ländern in eigene Städte“ und erklärte nebenbei, er wolle das Central auch nach der Wiedereröffnung des Schauspielhauses auf dem Gustaf-Gründgens-Platz gern für Theateraufführungen nutzen. Wenig später wurde er konkret. Seine Pressesprecherin Martina Aschmies erklärt auf Anfragen: „Der Generalintendant wünscht den Umzug des Jungen Schauspiels ins Central, denn das ist am Hauptbahnhof die zentralste Lage der Stadt und am besten für Schüler erreichbar. Wir könnten dann auch den Abendspielplan für das Junge Theater verstärken.“

Die Historie Das Kinder- und Jugendtheater, wie es bei seiner Gründung 1976 unter dem damaligen Intendanten Günther Beelitz hieß, ist kein Anhängsel der großen Bühnen. 1979 erhielt es in einer ehemaligen Betriebskantine eine Raumbühne und 1993 ein eigenes Haus in der Münsterstraße 446, mit einem großen Bühnen- und Zuschauerraum für 300 Besucher und einem kleinen Theater mit 99 Plätzen. Es war nach dem Grips-Theater in Berlin das zweite eigene Haus für den Nachwuchs in ganz Deutschland. 26 Jahre lang leitete es Barbara Oertel-Burduli als Autorin, Regisseurin und Spielerin, bis zu ihrem Tod 2002. Ihr heutiger Leiter Stefan Fischer-Fels ist der langjährige Chefdramaturg und spätere Leiter des Grips-Theaters.

Die zweite Idee Der Wunsch nach einem „Haus der Kultur“ kommt nicht von der Kulturverwaltung, sondern von Miriam Koch, frühere Flüchtlingsbeauftragte und heute Amtsleiterin für Migration und Integration. Über das „Kommunales Integrationszentrum“, eine landesweite Koordinierungsstelle, erhalten wir ein paar Stichworte: Danach übernimmt ein gemeinnütziger Verein die Trägerschaft. Er versteht die Einrichtung als Haus der Begegnungen, als Bildungs- und Informationszentrum interkultureller und internationaler Art. Seine Botschaft entspricht dem Grundgesetz in Bezug auf Toleranz und Ablehnung von Rassismus, Antisemitismus, religiösem Fundamentalismus und „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. Überparteilichkeit und Überkonfessionalität verstehen sich damit von selbst.

Zielgruppen sind Migranten-Organisationen, Vereine, Gruppen, Initiativen und die „internationale und interkulturelle Kulturszene“ aus Düsseldorf und Umgebung. Das Programm kommt von Mitgliedervereinen, Kooperationspartnern und dem Trägerverein. Gedacht ist an Vorträge, Seminare und Konferenzen, Filme, Lesungen, Konzerte, Kochevents, Sommerfeste, Tänze und Theater. Ein eigenes Cafe wird ausdrücklich gewünscht.

Über die Finanzierung herrscht Schweigen. Feststeht lediglich, dass Personal vom Hausmeister und Techniker über die Verwaltung bis zur hauptamtlichen Leitung erforderlich wird. Über das Förderprogramm von Bund und Ländern erhofft man sich Zuschüsse, der Investitionspakt fördert allerdings nur investive, also bauliche Maßnahmen.

Die Reaktionen vor Ort Die Bezirksvertretung 6 (Rath, Mörsenbroich, Unterrath und Lichtenbroich) lud Miriam Koch zu einem nicht-öffentlichen Gespräch ein. Anschließend beschloss sie in öffentlicher Sitzung einstimmig, das Junge Schauspiel solle an seinem angestammten Platz in Mörsenbroich behalten. Bezirksbürgermeister Ralf Thomas (SPD) betont: „Das Junge Theater hat ein wunderschönes Haus mit breiter Bühne und guter Sicht von allen Plätzen. Seit seiner Gründung gehöre ich dem Förderverein an. Das Café Eden ist ein gastfreundlicher Ort der Verständigung, der gesellschaftlichen Debatten und der neugierigen Begegnung mit Künsten und Kulturen.“ Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr sei mit S-Bahn, Bussen und Bahnen genauso gut wie im Central.

Dieser Ansicht ist auch die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Birgit Schentek (CDU). Sie will nicht nur das Theater im Stadtteil halten, sondern sie sieht auch das Haus der Kulturen vor Ort eher kritisch: „Wir wollen etwas, was einen Mehrwert für die Stadt hat. Das versprechen wir uns nicht von diesem Haus der Kulturen.“ Sie verweist auch auf 250 000 Euro öffentlicher Gelder aus dem Förderprogramm „Soziale Stadt“, die in die Gestaltung des Außengeländes geflossen sind. Das Geld müsste zurückgezahlt werden. Sie betont zugleich: „Es sollten nicht höhere Mächte entscheiden, ob das Theater versetzt wird. Wir erlauben den Wegzug nur, wenn wir etwas Gleichwertiges erhalten. Und das sehen wir nicht.“

Ein Vergleich Zum Abschluss unserer Analyse sei ein Vergleich mit dem Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ erlaubt: Hier findet eine kritische Auseinandersetzung mit anderen Kulturen auf Augenhöhe statt. Es geht also nicht nur um Multikulturalismus, sondern um Kultur auf höchster Ebene. Es wird gefördert durch die Beauftrage der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie das Auswärtige Amt. Bislang lag der Etat bei 3,1 Millionen Euro, 2020 wird er auf 5,1 Millionen Euro für Projekte und projektbezogene Personalkosten aufgestockt.

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